Als erstes muss festgehalten werden, dass wir nicht unseren Ansichten oder Ideen sind. Wir halten gewisse Meinungen aber <wir> sind nicht <diese Meinungen>. Jemand, der sein ganzes Leben nur gehört hat, dass die Welt flach ist, wird glauben, dass die Welt flach ist. Das ist weder seine Schuld noch sein Verdienst. Unsere Weltsicht ist zu einem erheblichen Teil einfach eine Reflektion der Dinge mit denen wir konfrontiert wurden.
Es ist daher nicht wirklich verwunderlich, dass praktisch jeder Fanatiker in die korrekte Weltsicht geboren wurde. Der heilige Kreuzzug des Großvaters ist auch der heilige Krieg seines Enkels, Fanatiker bleiben praktisch immer in ihrer kleinen Blase in die sie geboren wurden.
Der Schlüssel zum wahren Fanatismus ist es aber sich mit seiner Ansicht vollständig zu identifizieren und jeden Angriff auf die Ideologie als einen persönlichen Angriff zu werten. So wird die Verteidigung der Ideologie zur Selbstverteidigung und die Verbreitung der Ideologie zu einer Notwendigkeit, denn wer die Ideologie ablehnt ist, dieser Logik folgend, ja nicht nur eine Gefahr für die Ideologie sondern in letzter Konsequenz eine Gefahr für das eigene Leben.
Es ist daher nicht verwunderlich dass Fanatiker sich sehr offen gegen die freie Rede stellen, denn die Möglichkeit zu sagen was man sich denkt beinhaltet immer die Möglichkeit der Kritik und logisch durchdachte Kritik ist für den Fanatiker bedrohlicher als ein Maschinengewehr.
Der Umstand dass deutlich mehr Menschen sich zumindest teilweise Einschränkungen der Redefreiheit vorstellen können zeichnet ein durchaus erschreckendes Bild denn der einzige Grund Redefreiheit abzulehnen ist oftmals schlicht Angst vor Kritik.
Der oftmals vorgeschobene Grund dass es notwendig wäre „falsche Ansichten" zu verbieten weil sie andere überzeugen könnten. Das kann aber in der wahren Welt kaum beobachtet werden. Je freier die Rede, desto rascher setzen sich üblicherweise Ideen durch die einfacher zu verteidigen sind und das sind jene Ideen die weniger interne Widersprüche aufweisen.
Die einzige Möglichkeit an einer in sich widersprüchlichen Ideologie festzuhalten ist die Kritik zu unterbinden und sich bewusst dafür zu entscheiden diese Widersprüche zu ignorieren.
Ein klassisches Beispiel stellt die Kirche dar. Anstatt ihre Weltsicht zu verteidigen verbrannten sie eben alle Kritiker. Das ist eine Praxis die heute durchaus kritisiert wird, ironischerweise von genau den gleichen Personen die ihrerseits Kritiker ihrer Ideologie am liebsten am Scheiterhaufen brennen sehen möchten und Kritik mit allen Mitteln versuchen zu unterbinden.
Nur garantierte freie Rede kann damit Fanatismus effizient bekämpfen. Nur wenn man sich offen über den irrsinnige Ideen lustig machen kann, hat der Fanatismus ein massives Problem.
Solange es aber nicht möglich ist gewisse Dinge zu kritisieren, liefert man den Fanatikern also eine bequeme Rückzugsmöglichkeit, die sie intensiv nutzen werden.
Ironischerweise stellen Redeverbote auch so eine Rückzugsmöglichkeit dar. „Das darf man ja nicht laut sagen, aber“ ist eine interessante defensive Methode, denn kritisiert man Meinungen die verboten sind wird sich der andere einfach immer auf den Standpunkt zurückziehen dass man einer der gemeinen autoritären Unterdrücker wäre und sich zum Märtyrer aufspielen.
Ohne diese Rückzugmöglichkeit wäre es sehr viel einfacher zu kritisieren.
In letzter Konsequenz muss festgehalten werden dass es keine Argumente gegen die absolute Redefreiheit gibt, sofern man an der Wahrheit interessiert ist. Hat man andere Interessen als die Suche nach der Wahrheit, ist sie aber natürlich ein, wenn nicht sogar der Schlüssel zum Erfolg.
toonpool.com https://de.toonpool.com/cartoons/Redefreiheit_165052