Die Erde ist im Zentrum des Universums

Hätte jemand eine Fernbedienung mit der er die Sonne abdrehen könnte, würden wir hier auf der Erde das Flackern mit guten 8 Minuten Verspätung sehen.

Das liegt daran dass das Licht eben solange braucht um bei uns anzukommen. Wenn wir also die Sonne beobachten sehen wir 8 Minuten in die Vergangenheit. Beobachten wir Alpha Centauri, das nächstgelegene Sternensystem das etwa 4 Lichtjahre entfernt ist, so sehen wir wie Alpha Centauri vor 4 Jahren ausgesehen hat.

Beobachten wir aber die nächstgelegenen Galaxien, etwa den Andromedanebel, sehen wir bereits 2 Millionen Jahre in die Vergangenheit. Ein hypothetisches Alien, nennen wir ihn Franz, mit einem extrem guten Teleskop würde also, wenn es das Ding auf die Erde richtet, zu genau diesem Zeitpunkt die Versteppung der Erde beobachten und hätte eventuell sogar kurz einen Australopithecus sediba auf dem Schirm und könnte spekulieren dass aus dem mal etwas werden könnte.

Er würde sich irren.

Dieser Zweig der frühen Menschen ist heute vollständig ausgestorben. Aber das kann Franz nicht wissen. Alles was er genau in dieser Minute beobachten kann ist für uns längst vergangene Geschichte, für ihn erscheint es aber als "jetzt" und ist daher "sein jetzt". Wenn er dann noch einen Spiegel findet der genau auf ihn gerichtet ist, wird die Sache nochmal verwirrender. Damit verlassen wir Franz für den Moment.

Wenn wir uns wieder auf die Erde zurückbewegen wird uns klar dass alles was wir sehen auch dieser Zeitverschiebung unterworfen ist. Wir sehen niemals was gerade ist, denn zu dieser Verzögerung kommen ja noch Umrechnungen in unserem Kopf dazu, denn auch das braucht Zeit.

Wir fangen einen Ball nicht weil wir wissen wo er zu einem gegebenen Zeitpunkt ist, wir fangen ihn weil unser Hirn einige Momente in die Zukunft rechnet und uns sagt wo der ("im jetzt" ) Ball sein wird.

Wir sehen also ständig Dinge zu spät und unser Gehirn erfindet sich das „jetzt“ um schnell genug reagieren zu können. Das klappt aber nur gut wenn sich Dinge so verhalten wie sie sich verhalten sollen. Aus genau diesem Grund halten wir beim Autofahren Abstand, weil im Falle eines Unfalls unser Gehirn die fehlerhafte Abschätzung für das Jetzt („alles ok“ ) durch ein Update ersetzen muss („Auto vor mir überschlägt sich“ ).

„Das Jetzt“ ist also von Haus aus bereits ein kniffliges Konzept und wenn man genau darüber nachdenkt ist das „Jetzt“ einfach nur eine Illusion, eine Hochrechnung unseres Gehirns, basierend auf Informationen die nicht mehr up to date sind.

Wenn wir uns aber zurück an unsere Teleskope bemühen und so weit wie möglich in die Ferne sehen, dann sehen wir damit auch so weit wie möglich in die Vergangenheit.

Die logische Grenze ist der Beginn des Universums. Es liegt jetzt also nahe einfach das Alter des Universums mit der Lichtgeschwindigkeit zu multiplizieren um den Radius zu ermitteln (das wären dann etwa 14 Milliarden Lichtjahre). Blöderweise hat das Universum sich auch in dieser Zeit ausgedehnt, wir vermuten daher dass das beobachtbare Universum einen Radius von 46 Milliarden Lichtjahren hat (so weit können wir schauen).

Sehen wir an diese Grenze sehen wir keine Sterne, keine Planeten sondern das Universum in seiner Kindheit. Und wir sind genau in der Mitte.

Pablo Carlos Budassi wikipedia.com

Und hier beginnt die Sache noch komischer zu werden. Wir wissen dass das Universum sich ausdehnt und die Galaxien auseinanderdriften. Irgendwann ist also auch Andromeda so weit weggedriftet dass wir diese Galaxie nicht mehr sehen können. Das bedeutet dann wieder um Umkehrschluss dass hinter dem Beobachtungshorizont wohl noch etwas ist, wäre dem nicht so, wäre die Erde exakt im Zentrum des Universums.

In anderen Worten: würden wir in so einer Zeit leben (in der Andromeda hinter dem Beobachtungshorizont gerutscht ist), würden wir zu dem logischen Schluss kommen dass unsere Galaxie die einzige im Universum ist. Und nichts würde dagegen sprechen. Was sagt das über unsere aktuellen Schlussfolgerungen?

Der Mensch steht scheinbar an der Schwelle langsam zu verstehen was „Zeit“ ist, oder besser: warum Zeit eventuell überhaupt nicht ist und warum "da draußen" eventuell sehr viel ist das wir nie beobachten werden können.

Als vor 100 Jahren die Physik drastisch auf den Kopf gestellt wurde hatten die klügsten Köpfe Probleme damit sich Atome nicht mehr als kleine Sternensysteme vorzustellen, sondern als Wolken in denen Teilchen eventuell (aber nicht sicher) herumdüsten, Teilchen die so schnell herumflitzten dass diese klitzekleinen Dinger sich wirklich wie Kugel und hantelförmige Körper verhielten, die deutlich riesiger waren als die kleinen Teilchen. Dinge wirkten, obwohl sie oft gar nicht da waren.

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Heute ist das Teil unseres Denkens, viele haben gelernt in Wahrscheinlichkeiten zu denken. Wächst man mit dem Konzept auf, ist es Teil der eigenen Natur und damit verständlicher.

Eventuell haben Studenten in 100 Jahren nicht mehr die Kopfschmerzen die wir haben wenn wir versuchen zu erfassen was Zeit ist.

Eventuell ist für sie der Umstand dass wir uns im Zentrum des Universum befinden, wir in der äußersten Sphäre, dieser gigantischen Hohlkugel, in Wirklichkeit sehen was passiert ist als das Universum klein war, nicht mehr so haarsträubend wie es heute klingt.

Ich bin absolut zuversichtlich dass genau das passieren wird. Trotz aller Unkenrufe, der Mensch erweitert sein Verständnis und solange er das tut, solange wir morgen mehr wissen als wir heute wissen, besteht Hoffnung dass dieses Morgen besser ist als das heute, es gilt dabei nur der Verlockung zu widerstehen wieder Magie und Mysterium zu beschwören.

Solange das gelingt, sind wir am richtigen Weg.

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Ttavoc

Ttavoc bewertete diesen Eintrag 09.11.2020 23:49:09

Miki

Miki bewertete diesen Eintrag 09.11.2020 11:48:15

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