Eines der Kernprobleme zwischen Sozialisten und Kapitalisten ist der Umstand, dass nett klingende sozialistische Ideen so fürchterlich unwirtschaftlich sind und gleichzeitig höchstgradig unmoralische Dinge so verflixt wirtschaftlich sein können.
Das Spiel Stately ist ein witziges Gedankenexperiment das in diese Kerbe schlägt. Es wirft einen in die Rolle eines Staatsoberhauptes und stellt einen vor hypothetische Entscheidungen die Folgen nach sich ziehen. Als sozialistischer Staat kämpft man vorwiegend mit der Unwirtschaftlichkeit nett klingender Ideen, während man am anderen Ende des Spektrums damit zu ringen hat, dass ein Teil der simulierten Bevölkerung Geld mit Dingen verdient die man nicht gut findet.
In einem meiner kapitalistischen Durchläufen kam etwa die Frage auf ob man den Verkauf von Menschenfleisch nicht eventuell doch regulieren sollte.
Gute Frage. Ich bin mir nicht mehr sicher was ich damals geklickt habe aber der Drang zu regulieren war definitiv stark. Jeder hat eben seine Grenzen.
Jeder von uns hat gewisse moralische Vorstellungen und in vielen Bereichen gibt es einen breiten Konsens, aber mit reichlich Kleingedruckten. So stimmen die meisten Menschen überein, dass man nicht Stehlen oder Morden dürfe, wenn aber der Staat Steuern (ohne Konsens des Besteuerten) einzieht oder ein anderes Land bombardiert sieht die Sache für viele gleich ganz anders aus. Dann rechtfertigt das Ziel die Mittel und man müsse eben ein Auge zukneifen.
Das Problem an Toleranz ist, dass nach jedem Ding das man toleriert ein Ding kommt das schwieriger zu tolerieren ist bis man irgendwann an einem Punkt angelangt ist wo man es nicht mehr tolerieren kann.
Wir haben uns im Westen etwa dazu entschlossen Homosexualität der Heterosexualität gleichzustellen. Beide können jetzt im Grunde gleich leben. Gefiel nicht jedem, für mich persönlich ist das ok. Nachdem wir die Homosexuellen abgenickt hatten standen die Transsexuellen an der gleichen Stelle und forderten nicht nur dass wir uns nicht darum kümmerten wen sie vögeln (was völlig legitim ist) sondern auch dass wir nun, körperliche Merkmale hin oder her, als das anerkennen sollen als das sie sich fühlen (was kniffliger wird).
Und weite Teile der westlichen Bevölkerung stehen hinter dieser Forderung und das LGB wurde um T erweitert.
Nun drängen eben die Nächsten nach aber bei den Zoophilen (die Sex mit Tieren haben), Pedophilen (die Sex mit Kindern haben) und Nekrophilen (die Sex mit Toten haben) wird es mit der Frage nach Konsens knifflig. Bei den Nekrophilen kommt wenigstens keiner zu Schaden, bei den Zoophilen wenigstens keine Menschen aber spätestens bei den Pedophilen wird’s für viele sehr rasch sehr sehr sehr sehr schwierig nicht mit extremer Intoleranz zu reagieren.
„Ich bin halt so“ ist eben kein universales Argument.
Irgendwann kommt jeder an seine Grenzen und aus der Summe unserer Vorstellungen entsteht eine gesellschaftliche Grenze. Diese gesellschaftliche Grenze ist meistens für jene die genau an der Grenze der Akzeptanz existieren schwierig, weil fast die Hälfte der Menschen der Meinung sind, dass das schon ok ist was sie tun und es keinen Grund gibt sie zu unterdrücken, das Problem ist, dass knapp über der Hälfte der Menschen aber die Unterdrückung als gerechtfertigt empfinden, weil das Ziel eben die Handlung rechtfertigt.
So wie bei Krieg und Steuern eben auch.
Das Problem mit den Grenzwertigen ist aber eben, dass es immer eine Gruppe dahinter geben wird. Denn wenn wir auch den Zoos, Pedos und Nekros Gleichstellung zugestehen würden, wie es von einigen im linken Spektrum gefordert wird, stehen irgendwann die Vergewaltiger da und fordern Anerkennung ihrer sexuellen Identität/Neigung/Orientierung/whatever.
Wo sagt man „Nein“?
Wo darf man Intolerant sein?
Darf man denn Intolerant sein?
Toleranz hat für uns alle Grenzen. Der Unterschied zwischen Individualisten und Autoritären ist aber nun, dass der Individualist zu seiner eigenen Intoleranz steht wohingegen der Autoritäre einfach ablehnt was die Autorität als ablehnenswert deklariert hat.
Der Individualist aber muss immer damit ringen, dass er eventuell etwas abnickt das er nicht abnicken sollte oder aber ablehnt das kein Problem darstellt.
Der Autoritäre hingegen denkt, dass er tolerant ist, weil er alles abnickt das man abnicken soll und alles ablehnt das man ablehnen soll.
Das ist aber keine echte Toleranz, sondern einfach nur Faulheit. Die Position der Autorität ist, aus historischer Sicht, nie endgültig korrekt gewesen.
Was wir tolerieren und was nicht ist eine subjektive Angelegenheit und kann nichts anderes sein. Es ist damit ironisch dass genau jene die ständig Toleranz predigen immer die ersten sind die Sichtweisen die ihren Widersprechen am liebsten verbieten möchten, beweist aber eben dass jeder seine subjektiven Vorstellungen davon hat was man abnicken soll und welchen Dingen man Widerstand entgegenbringen sollte.