Um Automatisation zu verstehen muss man verstehen, dass Automatisation nicht Arbeit für uns erledigt, sondern unsere Arbeit effizienter macht. Automatisation multipliziert Arbeit aber addiert keine. Der Unterschied ist gigantisch, denn wenn man zu Null etwas hinzuaddiert ist etwas da, wohingegen es egal ist was man mit Null multipliziert: es bleibt immer Null.

Jede Form von Automatisation braucht irgendwo einen Menschen oder etwas das handelt wie ein Mensch. Jene die nun generalisierte künstliche Intelligenz in den Raum werfen müssen hierbei verstehen, dass diese zwar intelligent handeln würde (wenn es sie gäbe), aber nicht wie ein Mensch, was zu unerwünschten Resultaten führen muss. Wir brauchen Menschen damit etwas herauskommt das wir Menschen wollen.

Das bedeutet nicht mehr und nicht weniger als: Irgendwer muss immer arbeiten.

Hier wird oftmals in den Raum gestellt, dass irgendwann nur noch 1% der Menschen arbeiten würde und denen dann alles gehören müsse.

Und diese These ist überprüfbar.

Eine Gesellschaft aus 10 000 Menschen, in denen nur 100 Arbeiten ist absolut machbar, sofern man moderne Agrarmethoden mit einem spätsteinzeitlichen Lebensstandard mischt.

Die 100 Arbeitenden würden die Felder mit ihren modernen Maschinen bestellen, das Korn würde weitgehend automatisch zu Mehl gemacht werden und unter Aufsicht von einer Hand voll Personen in automatischen Maschinen zu Brot verbacken werden. Ignoriert man die Inputs von außen wie Benzin, Strom, Ersatzteile usw, existiert dann eine Gesellschaft in der nur 1% die ganze Arbeit tut. Aber was würde passieren?

Das Gleiche das in der tatsächlichen neolithischen Revolution passiert ist: Menschen konnten beginnen sich mit anderen Dingen beschäftigen und so entstanden immer neue Dinge die die Arbeit immer einfacher machten, den multiplikativen Effekt immer weiter nach oben trieben.

Für einen Menschen aus dem Neolithikum muss es schwer zu verstehen sein warum wir 40 Stunden in der Woche arbeiten, wo wir doch mehr haben als er sich auch nur in seinen wildesten Träumen vorstellen hat können.

Ich halte es für absolut vernünftig anzunehmen, dass nachfolgende Generationen sich nicht mit dem zufrieden geben das wir uns vorstellen können. Menschen die nichts zu tun haben werden sich Dinge finden und zu mindestens ein Teil dieser Dinge werden nützlich sein. Aus unserer Sicht. Ein Smartphone, so nützlich es ist, rechtfertigt für eine steinzeitliche Person mit Sicherheit nicht den Aufwand den wir investieren um es zu bauen. Für uns aber schon. Perspektiven ändern sich.

Das Problem das die meisten Menschen mit Automatisation haben ist dass sie unseren Lebensstandard als Fixwert annehmen und es mit futuristischen Möglichkeiten kombinieren, was genauso absurd ist wie anzunehmen dass 1% der Menschen mittels moderner Techniken die Felder bestellt und die restlichen 99% in Lehmhütten sitzen und Daumen zu drehen weil ihnen die 1% keine Jobs geben.

Natürlich: ein Teil der Effizienz stecken wir in Freizeit. Einen anderen Teil investierten wir historisch in eine längere Kindheit: wir ermöglichen es unseren Jungen heute fast zwei Jahrzehnte Kind bleiben zu können, wohingegen Kinder in früheren Zeiten am Hof mitarbeiten mussten sobald sie konnten.

Diese zwei Jahrzehnte sind Freizeit die wir auf unsere Kinder transferiert haben. Zusätzlich haben wir überschüssige Ressourcen in ihre Bildung investiert, das Resultat ist eine, aus steinzeitlicher Sicht, unvorstellbare Breitenbildung und geradezu göttlich wirkendes Expertenwissen. Auch unsere Motivation warum wir uns das antun ist für sie eher unverständlich.

In knapperen Worten: die Zukunft wird nicht nur im Bezug auf unsere höhere Effizienz anders sein, sie wird auch in allen anderen Bereichen an Komplexität gewinnen und zu einem völlig anderen Normal führen. Die Idee, dass unsere Begrifflichkeiten reichen um die Zukunft zu beschreiben ist schlicht und ergreifen naiv und die Vorstellung, dass wir qualifiziert sind schon heute die Probleme der Zukunft zu lösen ist geradezu kriminell überheblich.

Wir sind nicht am Ende der Entwicklung angekommen.

In tausend Jahren werden die Menschen uns nicht als den Gipfel der Zivilisation sehen sondern uns so sehen wie wir die Menschen des Mittelalters, der Antike oder gar so wie wir die Menschen im Neolithikum, die sich alle zu ihrer Zeit als hochentwickelt verstanden.

Die Probleme der Zukunft sind für uns unverständlich und Automatisation ist, genau wie der Pflug, in Summe eine Positive Sache, weil mehr Effizienz schlicht und ergreifend nie schlecht sein kann.

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