Frauen verdienen im Schnitt etwa 20% weniger als Männer. Klingt als sollte man sich darüber aufregen oder etwas näher hinsehen. Also werden wir näher hinsehen.
Typische Frauenjobs sind also scheinbar schlechter bezahlt als typische Männerjobs. Das hat zu einer interessanten Verschwörungstheorie geführt und ich möchte heute mit einer Anekdote zeigen wie sich diese Verschwörungstheorie das Denken mancher Menschen prägt und sich dann im alltäglichen Leben für uns alle manifestiert.
Kürzlich hatten wir eine Debatte über männliche Kindergärtner und alle beteiligten waren der Meinung, dass das eine gute Sache wäre. Aber aus unterschiedlichen Gründen. Ich etwa war und bin der Meinung, dass eine zusätzliche männliche Bezugsperson für kleine Kinder etwas Gutes wäre. Meine Gesprächspartnerin fand es auch gut, aber meinte, dass das toll wäre denn, wenn mehr Männer Kindergärtner werden würden die Gehälter der Kindergärtner in Summe und damit die Durchschnittsgehälter der Kindergärtnerinnen und damit in nächster Konsequenz die Durchschnittsgehälter der Frauen steigen.
Ich schaute verdutzt und sagte, dass das nicht so funktioniert. Sie warf sofort ein, dass Männer mehr verdienen und ob ich das bestreiten möchte, ich entgegnete mit einer Gegenfrage: wie hoch ist denn der Unterschied innerhalb des gleichen Jobs? Sprich ist der Unterschied zwischen männlichen und weiblichen Kassierern im Supermarkt oder aber zwischen Hochbauingenieuren auch so groß?
Die Antwort ist natürlich nein. Dieser Unterschied besteht auch, liegt im Schnitt aber im Bereich unter 4%, wobei nicht per se Frauen weniger verdienen, sondern Menschen die ungern verhandeln.
Eine Frau die aggressiver verhandelt wird daher mehr verdienen als ein Mann im gleichen Job der Konfrontation scheut. Das ist eben die Welt wie sie ist.
Jetzt kommt aber der Kicker: wenn das Gehalt der Kindergärtner frei verhandelbar wäre, würde wenn mehr Männer in den Job gehen wollen das Gehalt sinken. Das ist das Prinzip von Angebot und Nachfrage: Wenn mehr Menschen einen Job machen wollen, sinken die Gehälter. Deswegen sind Traumjobs so mies bezahlt: Wenn der Arbeitgeber viele Bewerber hat kann er sich die günstigen raussuchen.
Andersherum sind Jobs die kaum jemand, der sie machen kann, machen will, sehr gut bezahlt. Jobs die eine hohe Qualifikation benötigen aber nicht attraktiv sind, sind daher gut bezahlt, wohingegen Jobs die jeder machen kann oder machen will, schlecht bezahlt sind. Das hat nichts mit Gerechtigkeit zu tun, das hat damit zu tun dass es auf der einen mehr Jobs als Arbeiter gibt und im anderen Fall mehr Arbeiter als Jobs.
Angebot und Nachfrage eben.
Eine höhere Männerquote im Kindergarten kann also (in der realen Welt) die Gehaltssituation der Frauen nicht verbessern, sondern wenn überhaupt nur verschlechtern. Die einzige „Verbesserung“ ist dass nun eben ein Mann mehr für relativ wenig Geld einen recht anstrengenden Job erledigt und so das Durchschnittseinkommen der Männer senkt und damit eine gewisse Angleichung passiert. Aber das wars halt dann auch schon.
Die Anhänger der Lohnlücken Verschwörungstheorie können das aber nicht akzeptieren. Für sie ist klar dass die Männer sich in der Nacht zusammensetzen und überlegen wie sie den Frauen eine auswischen und absolut alle stecken unter einer Decke! Und alle Frauen bekommen für die gleiche Arbeit immer nur die Hälfte vom Gehalt! Nicht einer, nicht ein einziger Arbeitgeber oder Manager denkt sich jemals „He, Momentmal. Wenn ich die gleiche Leistung für die Hälfte bekomm, stell ich doch nur noch Frauen ein und werde stinkreich!“ und tritt damit ein Wettrennen um die Frauen in Gang, was dann zu einer besseren Verhandlungssituation der Frauen führen würde.
Nein, Nein.
Preissignale, Angebot und Nachfrage, all diese Dinge gäbe es gar nicht, sondern nur das Patriarchat das den Frauen eines auswischen will, weil Männer eben alle böse sind.
Wie fast jede andere Verschwörungstheorie bröckelt die Logik die ihr zu Grunde liegt, wenn man einmal etwas genauer hinsieht. Die Wahrheit ist eben erschreckend einfach: wenn man viel Geld verdienen will muss man Qualifikationen erlangen die wenige Menschen erlangen können oder erlangen wollen und dann einen Job machen den man die meisten Menschen nicht machen möchten. Wenn der Job dazu noch lebensgefährlich ist hilft das natürlich auch.
Dort ist die Kohle, vor allem wenn man dann auch noch unnachgiebig und brutal verhandelt, in anderen Worten: hochfunktionale, intelligente, fürchterliche Menschen haben es einfacher.
Wer etwas Freude im Job und weniger Stress haben will, zahlt mit einem geringeren Gehalt.
Achja: Etwa 99% aller Arbeitsunfälle mit tödlicher Folge treffen Männer, weil Männer eben genau diese Jobs machen wo man stirbt. Im Schnitt.
Das ist Statistik.
Fast alle Menschen die im Job sterben sind Männer, aber dafür verdienen wir eben 1/5 mehr.
Das klingt auch nicht fair, oder?
Ist es auch nicht.
Aber der Grund warum es so ist ist eben nicht in einer Verschwörungstheorie zu finden, sondern in der statistischen Analyse vieler Tausender persönlicher Entscheidungen. Der junge Kindergärtner wird nicht im Job sterben, dafür verdient er weniger als wenn er Solarzellen auf Dächer anschließen würde. Das hat nichts mit seinem Geschlecht zu tun und alles mit seiner Entscheidung Kindergärtner zu werden.
Hat man das verstanden, wird vieles deutlicher.