Empathie ist für uns als soziale Spezies wichtig. Sie hat nur leider eine mörderische Schattenseite.

Empathische Menschen verstehen wie andere fühlen und ziehen diese Information in Betracht bevor sie handeln. Wenn jemand am Straßenrand sitzt und weint reagieren wir anders als wenn er dort sitzt und wütend aussieht.

Unsere Empathie ist allerdings dafür ausgelegt in sozialen Gefügen von unter 150 Personen zu funktionieren. In solchen überschaubaren Gruppen wissen wir, dass Hans faul ist, Susi fleißig, Anna lügt und Franz Susi bei jeder Gelegenheit ausnutzt und so weiter.

In sozialen Situationen über dieser Zahl beginnt unser Gehirn zu abstrahieren. Unser Gehirn beginnt Gruppen wie Personen zu behandeln. Unser Gehirn fasst Informationen zusammen und kommt dann zum Schluss, dass Gruppe B Gruppe A ausnutzt, Gruppe C faul sei, Gruppe D blöd ist und Gruppe E besonders aggressiv wäre.

Die meisten Menschen sehen ihre eigene Gruppe als positiv an und fühlen sich praktisch immer von (zumindest) einer Gruppe unterdrückt, bedroht oder benachteiligt.

Und hier liegt das Problem.

Empathie greift besonders stark bei Gruppen für die wir besondere Sympathie hegen. Diese Sympathie kann eine direkte Folge von Empathie sein: Wir denken, dass es Gruppe X besonders schwer hat und daher mögen wir sie. Wenn wir dann aber zur Schlussfolgerung kommen, dass es Gruppe X nur deswegen so schlecht geht, weil Gruppe Y besonders garstig ist entsteht erst Ablehnung und dann Hass gegenüber dieser Gruppe.

Im Kopf des Empathischen ist dieser Hass aber eben eine Folge des Fehlverhaltens der Bösen. „Wären sie nicht so gemein, müsste man sie ja nicht hassen“.

Auch die Schlussfolgerung „Wenn so viele die Gruppe hassen ist das ein Beweis für ihre Garstigkeit“ kennt man.

Der nächste Schritt ist die Erkenntnis, dass die andere Gruppe ihre Fehler nicht sieht, sich nicht ändern wird und mit dieser Überlegung ist man am besten Weg zu der Idee, dass es „besser für die Welt wäre, wenn es die Gruppe Y nicht mehr gäbe“.

Praktisch alle Völkermorde hängen mit Empathie zusammen. Der Hass gegen die eine Gruppe entstammt praktisch immer dem Mitleid mit einer anderen Gruppe. Ob gerechtfertigt oder nicht dabei unerheblich, die einen werden bemitleidet, die anderen dämonisiert und entmenschlicht. Die Gruppe ist keine Ansammlung von Menschen mehr sondern ein Problem das es zu lösen gilt.

Menschen die keiner Fliege etwas zu leide tun würden nicken plötzlich systematische Vernichtung ab. Manche jubeln ihr sogar zu. Im Namen des Mitleides.

Das Problem daran ist, dass unsere Empathie alles andere als perfekt ist und schlimmer noch: das Zusammenfassen in Gruppen nicht gut funktioniert.

Keine Gruppe ist homogen und fast immer definiert ein sehr kleiner Teil einer Gruppe wie die Gruppe von anderen Gruppen wahrgenommen wird. Ob gerechtfertigt oder nicht ist ebenfalls egal.

Empathie ist wichtig damit wir in unserem Umfeld navigieren können. Wenn es jemandem schlecht geht sollten wir ihm helfen wollen.

Wir sollten aber einsehen, dass Empathie nicht wirklich ein nützliches Werkzeug ist sobald wir aus dem persönlichen Umfeld hinaussteigen und im Bereich der abstrakten Gruppen landen.

Das harmlose Mitleid mit einer Gruppe (sehr oft der eigenen) ist der Nährboden auf dem alle möglichen Formen von Hass blühen und gedeihen, was zu den schlimmsten Dingen führen kann zu denen wir als Menschen überhaupt fähig sind, und alles nur weil eines der besten Dinge in uns eine Fehlfunktion hat.

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Claudia56

Claudia56 bewertete diesen Eintrag 13.09.2023 09:33:07

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