Einer der Eckpfeiler eines glücklichen Lebens, vertraut man den Worten Epictetus, ist Dinge zu ignorieren die man ohnehin nicht ändern kann. Ich denke er hatte recht. Das Problem an der Sache ist, dass die Demokratie hier aktiv dagegen arbeitet.
Hier gilt es festzuhalten, dass ich die Demokratie als grundsätzlich gute Einrichtung sehe, ich denke nur dass der Apparat den sie verwaltet zu umfangreich ist. Aktuell trifft der Staat in Europa die Hälfte aller Kaufentscheidungen, besitzt die Hälfte des Vermögens und hat ein juristisches Konstrukt gebaut das gelinde gesagt unüberschaubar geworden ist. Trotzdem: die Führer ohne Bürgerkrieg auszutauschen zu können ist eine wunderbare Sache. Sprich ich will mehr Demokratie, aber gleichzeitig weniger Macht für die Volksvertreter.
Nachdem wir das aus dem Weg haben, wo liegt jetzt genau das Problem? Das Problem liegt darin, dass wir unsere Führer wählen und die Führer praktisch alles bestimmen.
Früher bestimmte sich der Führer selber. Wer mehr Freunde mit spitzeren Stöcken hatte war der König und das Volk kniete oder wurde mit spitzen Stöcken abgemurkst.
Das Volk machte sich keinen Kopf über die Balance zwischen Verteidigungsbudget und Infrastrukturbau, über Diplomatie, Bündnisse oder was im Nachbarland passierte. Nicht weil es ignoranter war als wir oder die Informationen fehlten, sondern weil sie völlig instinktiv Epictetus befolgten (ohne je von ihm gehört zu haben) und sich nicht den Kopf über etwas zerbrachen das sie eh nicht ändern können. Und wir würden es genauso tun, wenn es keine Demokratie gäbe, was nebenher bemerkt das Hauptverkaufsargument der Autoritären ist.
Wer heute Demokratie ablehnt tut es üblicherweise eben, weil er sich nicht den Kopf über den Staat zerbrechen will.
Man will einen Experten haben der das macht. Ich höre noch immer wie toll die demokratisch nicht legitimierte Expertenregierung von 2019 war. Diese Regierung ist für die Millenialen das was Kreisky für die Boomer war. Und es ist durchaus verständlich.
Als Wähler bestimmt man ja die Politik mit. Was wir wählen hat einen direkten Einfluss und daher müssen wir uns mit absolut allem nonstop beschäftigen, tun wir das nicht, sind wir unverantwortlich und tragen eine Teilschuld für alles das schief geht.
Diesen Druck der einem den Schlaf raubt hatten früher nur die Könige. Nicht die Bauern. Jetzt haben wir ihn alle und die die ihn nicht haben, haben ein latent schlechtes Gewissen, dass sie sich nicht auskennen oder nicht kümmern.
Und das stranguliert die Demokratie.
Der durchschnittliche Mensch will diese Sorgen nicht haben und sucht nach einem Ausweg und die Autoritären bieten das in allen möglichen Geschmacksrichtungen. Rechte, Linke, Zentristen: jeder Teil des politischen Spektrums hat Menschen die Vorschlagen den schweren Königsmantel dem Volk von den Schultern zu nehmen und selber die schwere Last zu tragen und dann natürlich im Sinne des Volks zu führen. Historisch betrachtet hält sich keiner an den letzten Teil, aber das ist dem Volk oft egal: Hauptsache die Last ist von den Schultern und man kann wieder sagen „na was hätte ich tun können? Ich war ja machtlos“. Wer das sagen kann, schläft besser.
Der Schlüssel zu einer langlebigen Demokratie ist daher die Last zu reduzieren, den Staat zu verschlanken. Schlanke Demokratien sind langlebiger und in Wirklichkeit kann das Meiste das der Staat sich anschickt zu tun das Volk ohnehin besser.
Wenn wir verstehen wollen warum die Demokratie in einer Krise ist, müssen wir diesen Zusammenhang verstehen, müssen einsehen, dass die meisten Menschen die Sorgen der Könige nicht haben wollen.
Wenn wir das verstanden haben, können wir tun was getan werden muss um das beste Regierungssystem das es gibt zu erhalten. Die Alternative ist es die Demokratie wieder für Generationen zu verlieren und unsere Nachfahren dazu zu verdammen sich das wieder zu erkämpfen das wir achtlos verfallen haben lassen.