Die Elite spricht selten die Sprache des Volkes. Das kann bedeuten, dass die Elite tatsächlich eine andere Sprache spricht oder aber eine Form der Sprache die dem Volk schwer verständlich ist. Der österreichische Weg der Unterscheidung lag etwa im Dialekt. Der Adel sprach einen Dialekt von vielen, dieser Dialekt wurde aber als die „reine Sprache“ verstanden. Der Bauer sprach „Dialekt“, der Wiener aber "sauberes Deutsch".
Was aber Dialekt ist und was nicht ist im Grunde Definitionssache.
In einer alternativen Realität in der Bern Jahrhunderte die deutschsprachige Sphäre dominiert hätte, würde unser Wörterbuch anders aussehen als es jetzt aussieht. Od‘r?
Der russische Adel sprach im 19. Jahrhundert Französisch. König Löwenherz von England soll nicht einmal einen Satz in der Sprache seines Volkes gesprochen haben und überall auf der Welt rezitieren Priester ihre heiligen Texte in einer Art und Weise die den Zuhörern zumindest schwer verständlich sind.
Das Alles hat einen Grund: wenn man den sozial Höherstehenden nicht versteht, nimmt der sozial Niederstehende oftmals automatisch an dass das was der andre sagt eher wahr ist. Weil „die da oben sind ja dort, weil sie besser sind als wir“.
In anderen Worten: man kann von oben herab viel mehr Stuss erzählen ohne dass jemand „Bullshit“ brüllt, weil das Gegenüber nicht versteht, dass es Stuss ist. Und selbst wenn die Frau aus dem Volk versteht, dass es Unsinn war, kann die hohe Dame auf der anderen Seite eloquente Worte zurückwerfen und alleine die Eloquenz überschattet dabei oftmals den plumpen, wenn auch völlig korrekten, Einwurf dass das was die hohe Dame da gesagt hat eben unhaltbarer Unsinn wäre. Der Zuhörer geht einfach davon aus, dass der wortgewaltigere Gesprächspartner "weiß von was er spricht".
Wir sehen das etwa in der Juristerei. Der Bauarbeiter vor Gericht hat keine Ahnung was er mit Worten wie geflissentlich oder nachgerade anfangen soll. Diese Worte sind, formal, Teile der deutschen Sprache aber eben nicht gebräuchlich sind. Es ist aber auch kein Jargon der zusätzliche Informationen enthält.
Gefliesslich bedeutet nicht viel mehr als „wissentlich (mit böser Absicht)“ und nachgerade bedeutet nicht mehr als „regelrecht“. Genauso wie „Erinaceus europaeus“ eben nur Igel bedeutet. Und nicht mehr.
Sprache kodiert Information und in manchen Worten sind unheimlich komplexe Begriffe kodiert, wie etwa im Wort „Computer“. Obwohl der Begriff absurd komplex ist und niemand fähig ist alleine einen modernen Computer selber von Grund auf zu bauen, versteht jeder was damit gemeint ist. Das bedeutet: um zu verstehen was mit Computer gemeint ist muss man nicht wirklich den Computer verstanden haben. Das Konzept reicht.
Menschen die verstanden werden wollen passen ihre Sprache an ihr Publikum an. Diese Anpassung bedeutet im Falle des Fachbegriffes, dass ein Vortrag vor einem Nichtfachpublikum etwas länger dauert als vor einem Fachpublikum, weil man Fachbegriffe umschreiben muss. Benutzt man aber statt des gebräuchlichen Begriffes einfach nur einen anderen Begriff wird der Vortrag noch nicht einmal länger oder unpräziser. Juristen sind in diesem Bezug sehr oft schuldig im Sinne dieser Anklage.
Besonders schlimm aber geht es bei philosophischen Debatten zu. Viele Debatten im philosophischen Bereich sind eher Duelle in denen es darum geht dem anderen ein Wort an die Rübe zu werfen das dieser nicht kennt oder eine aktuellere Definition zur Hand zu haben um dem anderen „veraltete Ansichten“ unterstellen zu können, so wurde etwa der Begriff der sexuellen Präferenz von einem positiven Begriff irgendwann in den letzten Jahren zu einem negativen Begriff umgedeutet und der positive Begriff ist nun sexuelle Identität. Das kann aber zum Zeitpunkt an dem der Leser das liest natürlich schon wieder ganz anders sein, bedeutete aber in der Übergangsphase dass jene die diese Änderung noch nicht kannten einen Nachteil hatten.
Es geht in diesen Debatten also nicht darum Konzepte zu beleuchten (sexuelle Präferenz meinte vor 4 Jahren exakt das Gleiche was heute sexuelle Identität bedeutet), sondern festzustellen wer die Nase im Bereich der Semantik vorne hat und welcher Ideologie man angehört, denn auch das ist in der Sprache kodiert. Jeder der es geschafft hat in rechte und linke Bubbles hineinzuhören wird ohne nachdenken zu können die Begriffe „degeneriert“ und „problematisch“ den beiden politischen Polen zuordnen können, denn jeder dieser Beiden nutzt einen dieser Begriffe ungewöhnlich häufig und den anderen Begriff praktisch gar nicht.
Ebenso ist die Annahme, dass man es mit einem Mediziner zu tun hat wenn dieser Krankheiten bevorzugt in Latein beschreibt, öfter richtig als falsch.
Sprache kodiert also nicht nur was wir meinen, sondern auch was wir sind. Dieser Aspekt ist unerheblich, wenn es darum geht verstanden zu werden aber von zentraler Bedeutung um zu etablieren wo man im sozioökonomischen Gefüge angesiedelt ist.
Wenn also jemand sich nicht bemüht verstanden zu werden geht es ihm nicht um die Sache. Es geht um das etablieren einer Machtstruktur. Menschen die so etwas tun werden oftmals sehr ungehalten, wenn man ihre elegant verschlungenen Ausführungen auf den Punkt bringt, sprich: sie versteht aber sich weigert das Duell auf die semantische Ebene zu führen und stattdessen darauf besteht über das tatsächliche Problem zu debattieren.
Menschen die nicht reden um verstanden zu werden wissen oftmals, zumindest latent, dass sie keine Ahnung von dem haben was sie reden oder aber Sicht auf dünnen Eis bewegen. Oder die Sache ist ihnen in Wirklichkeit einfach egal.
Wann immer man es also mit jemandem zu tun hat der Sprache als Waffe benutzt um eine Machtstruktur zu etablieren gilt es sehr klar festzustellen, dass es um eine Sache und nicht um die Form geht.
Wenn man darüber redet was etwa ist muss man beleuchten was diese Sache ist um den Begriff abzugrenzen. Das kann ohne weiters in normaler Sprache passieren. Jemand der sich weigert auf eine Art und Weise zu kommunizieren die jeder interessierte verstehen kann muss entsprechend als das bezeichnet werden was er ist: ein Blender dem es nicht um die Sache geht, sondern nur darum zu etablieren, dass er über anderen steht, weil er die Sprache der Elite spricht, ein privilegierter Tölpel also der nur schicke Worte auf seiner Seite hat aber ganz sicher nicht die Wahrheit.
Jacob Alberts https://www.wikiwand.com/de/Predigt