Verschwörungstheorien sind ein wenig wie Legenden: größtenteils Fantasie, aber meistens mit einem wahren Kern. Die totes-Internet-Verschwörungstheorie (dead Internet conspiracy) besagt, dass das Internet nicht mehr von den Menschen gemacht wird, sondern im Grunde nur noch von Bots, die ihrerseits von wenigen Menschen gesteuert werden. Wenn man also glaubt, man holt sich einen Ratschlag von tausenden Menschen, so sind das in Wirklichkeit bestenfalls Hunderte Menschen, die ihren Fußabdruck im Internet künstlich vergrößert haben.

Und wer kennt das nicht? Man kauft auf Amazon ein und da findet sich ein Produkt mit 50.000 „sehr gut“ Bewertungenm die sich alle gleich lesen („Habe das Produkt für meinen Sohn gekauft, er mag es sehr“) und 30 negativen Beurteilungen, die sich wirklich lesen als hätte ein Mensch dieses Produkt in der Hand gehabt.

Auch die Suchmaschinen füttern diesen Verdacht. Sucht man etwa „dead Internet conspiracy” auf Google.com so erhält man um die 49 Millionen Resultate. Klickt man ganz unten dann aber auf die letzte Seite, im Fall meines Experiments gerade eben Seite 15, und addiert die Resultate (15*10) so wird einem klar, dass Google einem nur 150 der 49 Millionen Resultate zeigt. Das sind 0,0000003%. Und die meistens davon sind eben Zeitungen die sagen, dass das alles gar nicht wahr ist.

Ha! Aber Google gibt ja auch die Möglichkeit weiterzusuchen, oder? Man klickt einfach auf “repeat the search with the omitted results included.” Korrekt?

Probieren wirs! Nun, dieses Mal endet die Suche bei Seite 36, also nach etwa doppelt so vielen Resultaten. Noch immer fehlen über 99,9999% der Resultate die Google, nach eigener Angabe, gefunden hat.

Auf gehts! Probier es selber!

Das Internet als der Ort an dem jeder eine Stimme hat, ist verschwunden. Mehr und mehr Information, mehr und mehr Stimmen, werden in Teile des Internets verschoben in denen sie niemals irgendeiner finden kann. Selbst, wenn er will.

Wir erreichen damit wieder den Zustand der in der gesamten Geschichte der Menschheit die Norm war: wenige bestimmen, was alle wissen. Früher waren es eben der Priester und König, dann die Medien und der Staat. Das Resultat war eine breite Homogenität der Meinung.

Alle Mitteleuropäer wussten 1600, dass die Schweden allesamt blutrünstige Monster wären. Die wenigen mit differenzierter Sicht wurden unterdrückt. Heute sehen wir die Schweden anders. Vor allem sehen sie die einen als die humanitäre Supermacht, die enorme Mengen an Flüchtlinge aufgenommen hat, ohne auch nur ein Problem damit verursacht zu haben, andere sehen Schweden als eine Summe von Utsatt områdes, also No-go-zones, in der Schweden nicht mehr vorgibt, was Recht und Unrecht ist.

Derart stark abweichende Meinungen im gleichen Herrschaftsbereich sind historisch gesehen fast eine Garantie für Bürgerkrieg und Bürgerkriege stellen immer ein gewaltiges Problem für die Leute dar, die schon an der Macht sind. Wir alle mögen Stabilität. Vor allem die Elite. Eine homogene Weltsicht ist ein Schlüsselelement dieser Stabilität.

Das Internet ist nicht tot und die Bots haben es nicht übernommen, es ist nur im Internet jetzt ähnlich wie mit der Presse: jeder könnte eine Zeitung gründen und betreiben, aber nur die Zeitungen, die es sich mit zumindestens einem Teil der amtierenden Elite gerichtet hat, wird bestehen.

Das stellt vor allem für Menschen mit flexibler Ethik und ohne eigene Meinung kein Problem dar.

Menschen, die sich Ende 2019 noch über Personen, die Masken in der Öffentlichkeit trugen, lustig machten und Mitte 2020 dann selbst mit Maske duschten sind auf diese Art der Normalität bestens angepasst, sie glauben einfach alles, was ihnen gesagt wird und sind nicht einmal fähig zu erkennen, dass sie noch vor Momenten das Gegenteil geglaubt hatten.

Wir haben uns evolutionär an die Welt angepasst und Menschen mit dieser flexiblen Meinung wurden eben seltener verbrannt, interniert oder erschossen als Menschen mit einer eigenen Meinung.

Das Internet ist nicht tot, es wird nur zunehmend gleichgeschalten von jenen, die es können. Die, die es können, ziehen aber nicht an einem Strang, daher wird es immer eine gewisse Diversität an Meinung geben, die Vielseitigkeit des Internets wie wir es aber aus den 90igern kennen ist vorbei. Nicht, weil eine Verschwörung dafür nötig war, sondern, weil es in Übereinstimmung mit historischen Mustern gar nicht anders kommen konnte. Das Internet war nur wild solange die Elite es für eine Spinnerei gehalten hat. Das Internet wurde aber, ab dem Moment an dem die Omas begannen es zu nutzen, sofort nach Kräften geordnet, geregelt, normiert und an die Herrschaftsverhältnisse angepasst.

Und das passt für die meisten Menschen, weil das Internet jetzt ist wie die restliche Gesellschaft: geordnet, zivilisiert, klar strukturiert. Sicher. Für die Mitläufer jedenfalls.

Der Vorteil an der Sache ist, dass die Kluft sich wieder schließen wird, schlicht weil man keine abweichenden Meinungen mehr finden wird. In einer oder zwei Generationen werden alle wieder das Gleiche wissen, das Gleiche sagen und das Gleiche glauben. Mit moderaten Abweichungen, um die Illusion der Diversität zu erzeugen. Aber wenigstens werden wir alle wieder der Meinung sein, dass diese moderaten Abweichungen es nicht wert sind uns an die Gurgel zu gehen. Eventuell ist das eben auch was wert.

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