Menschen mögen einfache Weltbilder. In den meisten einfachen Weltbildern stehen sich Gut und Böse gegenüber, man selber ist auf Seite der Guten und jeder der gegen die eigenen Ziele arbeitet ist böse. Daraus resultiert vor allem die Option die andere Seite zu dämonisieren und zu entmenschlichen. „Die Anderen“ arbeiten ja aktiv und wissentlich daran die Welt schlechter zu machen, entsprechend müssen diese Monster mit allen Mitteln abgehalten werden irgendetwas zu tun. Unterdrückung bis hin zu Genozid ist damit nicht nur gerechtfertigt, sondern ein Akt der Wohltat, sogar für „die Anderen“.

Die Milgram Experimente in den 1960igern demonstrieren eindrucksvoll, dass die meisten Menschen foltern, wenn man ihnen sagt, dass es am Ende des Tages „zum Wohle der Gefolterten“ sei. Man müsse den anderen bekehren, erleuchten, aufklären oder ähnliches. Die meisten „Guten“ ziehen dann sofort die Daumenschrauben an.

Religionen kommen einem da sofort in den Sinn, aber auch die Politik ist hier ein klassischer Kandidat.

Vor allem die sogenannten „Progressiven“ Strömungen müssen erwähnt werden. Die Idee der Progressiven ist, dass die Menschheit sich entwickelt und diese Entwicklung ein klares Ziel hätte. Dieser Fortschritt bewegt sich üblicherweise beginnend im Naturzustand, also in einer Zeit in der wir Tiere waren, hin über eine Übergangsphase (Wo wir teilweise ein Teil der Natur sind und teilweise nicht), hin zu einem Paradieszustand wo wir unsere animalistische Seite hinter uns gelassen haben und fähig sind ein Utopia zu erschaffen in dem jeder glücklich, satt und friedlich ist.

Dabei gilt es zu verstehen, dass es nicht eine Progressive Strömung gibt, sondern eine erhebliche Zahl mit völlig unterschiedlichen Zielsetzungen. Die marxistische Strömung etwa arbeitet auf ein klassenloses, staatsloses System hin, das dann all die paradiesischen Dinge erzeugen soll, wohingegen die Faschisten auf ein System hinarbeiten in dem alles in einem allumfassenden Staat eingebettet ist, der dann seinerseits all diese paradiesischen Dinge erzeugen soll. Beide Strömungen erklären, dass das Paradies des Anderen bestenfalls ein Wunschtraum ist. In wenigstens diesem Punkt kann ich beiden zustimmen: beide dieser Vorstellungen sind naiv und falsch.

Ein armer Arbeiter am Rande der Stadt hat, im Bezug auf Luxus, mehr als ein König vor 1000 Jahren. Aus Sicht von vor 1000 Jahren leben wir alle in einem Utopia. Aber sehen wir das so?

Natürlich nicht.

Der Grund dafür ist nicht wirklich, dass uns etwas fehlt, sondern wir dort hin gekommen sind wo wir sind, weil wir als Spezies ausgezeichnete Problemlöser sind. Wir mögen es Probleme zu lösen und wir langweilen uns, wenn die Probleme gelöst sind. Das Genre des Survivalspiels ist ein ausgezeichnetes Beispiel: Man beginnt bitter arm und erarbeitet sich was man braucht und wenn man dann in seinem Palast sitzt, mehr Essen produziert als man braucht und kein Feind mehr ein echtes Problem darstellt, beginnt man neu. Weils langweilig ist.

Menschen sind eben so. Wir leben, aus Sicht all unserer Vorfahren, im absoluten Luxus und beschäftigen uns mit Problemen, die unsere Vorfahren im besten Fall als Unannehmlichkeit identifiziert hätten.

Die Idee, dass wir uns vom Affen zum übernatürlichen Engel oder aber Übermenschen entwickeln würden ist naiv.

Wir sind trotz all unserer Technologie Teil der Natur. Der Unterschied zwischen einem Atomkraftwerk und einem Biberdamm oder einem Termitenhügel ist für uns bedeutend, von einem neutralen Standpunkt her sind das aber alles Bauwerke die Lebewesen erschaffen haben um sich selber das Leben einfacher zu machen ohne dabei an die Konsequenzen für andere Lebewesen nachzudenken.

Alle drei sind Dinge die es ohne die Tiere die sie gemacht haben nicht gäbe, alle drei beeinflussen die umliegende Natur und alle drei sind damit Teil der Natur, so schwer das den Religiösen, die uns über der Natur stehen sehen, auch zu akzeptieren fällt.

Genau wie der Biber sich nicht zu einem übernatürlichen Wesen entwickeln wird der mit bloßen Gedanken die Verläufe von Flüssen ändern kann, werden wir uns niemals zu Lebewesen entwickeln den Hunger, Not oder Mobbing hinter sich lassen. Es wäre schön, wenn es so wäre, aber egal was wir tun, wir bleiben Teil der Natur.

Selbst wenn wir unsere Gehirnmuster auf einen Rechner laden und uns mit künstlichen Intelligenzen vermischen und dann in virtuellen Welten herumwuseln, bleiben wir ein Teil der Natur und unterliegen weiterhin der Evolution. Die Evolution aber hat kein endgültiges Ziel, es überlebt nur immer derjenige der in der gerade vorherrschenden Situation am besten durch kommt und jene die mit der aktuellen Situation nicht gut klar kommen, sterben aus. Das ist Evolution. Kein Fortschritt, kein Rückschritt, sondern purer Opportunismus.

In der Zukunft wartet kein Utopia sondern einfach nur die Natur, die weiterhin das tun wird was sie schon immer getan hat, gnadenlos aussortieren wer nicht nach ihren Regeln spielt.

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