Einer der gängigen Kritiken an den USA und Israel, aber auch Kanada, Neuseeland und Australien, ist, dass diese Länder per se illegitim sind, da sie auf Boden existieren, der gestohlen wurde. Dieses Konzept ist insofern interessant als dass dieser moralische Standard nur sehr selektiv verwendet wird.
Grundsätzlich basiert die Idee darauf, dass ein Land mit einem Volk fest verbunden ist. Das Volk, das auf diesem Land seit allen Zeiten existiert, ist einziger legitimer Inhaber des Landes. Die USA aber wurde von Einwanderern besiedelt und die Urbevölkerung wurde ausgerottet oder verdrängt. Soweit die Idee.
In Mitteleuropa kennen wir diese Philosophie unter dem Begriff „Blut und Boden“. Diese Ideologie wurde von den Verwaltern des Steuergeldes in den 1930igern und 40igern dazu genutzt sozialen Wandel sowie Angriffskriege zu rechtfertigen mit erheblicher Doppelzüngigkeit und Zynismus.
Zum einen war es des Deutschen Pflicht den „deutschen Boden“ zu bestellen, aber russischen Boden zu erobern und den dann auch mit deutschen Kartoffeln zu bepflanzen war völlig ok. Macht das Sinn? Natürlich nicht: das ist bösartiger Blödsinn.
Völker sind nicht mit ihrem Boden verbunden, dazu sind sie viel zu mobil. Die Türkei etwa steht auf byzantinischen Boden und Byzanz stand auf den Ruinen des Partherreichs. Wenn die USA also aufgrund ihrer Entstehung nicht legitim ist, wenn Eroberung eines Landes nicht legitim ist, dann ist es die Türkei auch nicht.
Wie steht es mit England? England wurde von den Römern erobert, die die Kelten verdrängten. Dann wurden sie von den Sachsen erobert nur um dann von den Normannen erobert zu werden. Die Normannen wiederrum waren Wikinger die vorher Teile des heutigen Frankreichs eroberten. Wer hat einen legitimen Anspruch auf das Land?
Diese Frage versucht im Wesentlichen der Ethnonationalismus zu erklären der schlicht festlegen möchte dass gewisse Landflächen gewissen Völkern gehören. Im Zweifelsfall nimmt man eben den Status Quo her und ignoriert die Vergangenheit.
Dieser Zustand sei dann aber nicht mehr änderbar.
In anderen Worten: in einem deutschen Ethnostate kann Land nicht an Japaner verkauft werden. Gibt es Beispiele solcher Gesetze in der echten Welt?
Natürlich. Ungarn versucht etwa solche Gesetze seit längerer Zeit durchzuboxen, um ein Beispiel in der unmittelbaren Nähe zu nennen. In einigen islamischen Ländern ist der Landerwerb für Nichtmoslems nicht möglich oder erschwert. In amerikanischen Reservaten kann man als Außenstehender auch kein Land erwerben.
In anderen Worten: in vielen Bereichen der Welt versuchen die Machthaber den völlig natürlichen Zustand des ständigen Wechselns zu regulieren. Zum Teil mit Erfolg.
Die Schwierigkeit an der Materie ist einen moralischen Standard zu halten. Wenn Amerika den Natives gehört dann kann auch in Wien kein Türke einen Laden kaufen um dort chinesisches Essen zu verkaufen, denn die gleiche Moral muss überall gelten.
Die ganze Ideologie ist in sich absurd und völlig ignorant im Bezug auf die Realität. Geschichte ist nicht ein statischer Kampf zwischen Völkern die auf festem Boden stehen sondern vielmehr der Konflikt zwischen Ideen die sich wie Wellen über das Land bewegten. Viele Türken haben wohl Urahnen die Byzantiner waren und diese hatten Urahnen die sich Pather nannten. „Der Türke“ ist kein Volk sondern eine Idee, ein gemeinsamer Nenner unter dem sich Menschen versammeln und mit der sie sich identifizieren. Im Moment.
In tausend Jahren wird es eine andere Idee sein und ihre Nachfahren werden sich anders nennen.
Wer von gestohlenem Land redet outet sich als Ethnonationalist und damit faktisch als Rassist. Das muss verstanden werden. Hat man das verstanden und ist man fähig Verbindungen zur Geschichte zu ziehen wird offensichtlich welchen Ansichten der postmoderne Revolutionär in unseren Straßen nahe steht.
So gesehen passen die schwarzen Hemden ja sogar ganz gut.
ambelin Kwaymullina https://www.magabala.com/