Analog zu einem Post der sich mit einer ähnlichen Frage beschäftigt und zu dem Schluss kommt dass das duale Weltbild eine grobe Vereinfachung darstellt möchte ich meine Sichtweise hinzufügen.
Zum einen hat er Recht. Es ist eine Vereinfachung. Aber das ist Mathematik auch. Oder eine Speisekarte. Oder ein Stadtplan. Alle diese Dinge werden dem Original nicht gerecht und betrachten nur einen Teilbereich.
Die echte Welt ist komplex und wenn ich komplex sage meine ich, dass niemand auf der Welt die Welt versteht. Nicht im Ansatz. Ich würde weiter gehen und behaupten dass niemand auf der Welt einen Bleistift in seiner Ganzheit verstehen kann. Zu diesem "ganzheitlichen Verständnis" würde der Vollständige Herstellungsprozess eines Bleistiftes gehören, von der Metallurologie der Kettensäge die zum Fällen des Baumes gebraucht wurde bis hin zur Kristallstruktur des Graphits und der Zusammensetzung der Farbe auf dem Bleistift.
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Niemand versteht den Bleistift als Ganzes.
Das hindert uns aber nicht daran die Dinger herzustellen, zu verkaufen und zu benutzen. Gleichzeitig bedeutet der Umstand dass jeder Tölpel eine Kettensäge benutzen kann sicherlich nicht dass das Ding eine einfache Sache ist.
Wir sind also in einer gewissen Dualität gefangen: die Welt ist so einfach dass fast jeder Trottel sie überlebt und gleichzeitig ist sie so komplex dass wir sie nicht verstehen.
Genau dieses Problem versuchte die Philosophie unterschiedliche zu lösen und irgendwie sind viele immer noch im Reduktionismus gefangen, also der Idee dass man alles versteht wenn man seine Teile versteht. Das ist aber eben nicht möglich. Der Teil der Bevölkerung der es über das 18. Jahrhundert geschafft hat und im Informationszeitalter angekommen ist liebäugelt da eher mit der Heuristik: man schaut einfach welche Inputs zu welchen Outputs führen und baut sich dann ein Input-Output Model. Man muss nicht mehr verstehen wie genau die Hand und das Gehirn und die Wange funktionieren um herauszufinden dass jemand der eine Ohrfeige erhält daraufhin wohl sauer sein wird.
Gibt es also gute und schlechte Dinge? Nicht wirklich, aber wenn wir so tun als ob sparen wir Zeit und Energie und kommen zu recht brauchbaren Resultaten. Wir schauen uns einfach an welche Dinge, wenn sie oft vorkommen, zu Gesellschaften führen in denen wir nicht leben wollen und sagen dann dass diese Dinge „böse“ sind. Eine Gesellschaft die ein anders Ideal verfolgt mag diese Dinge als „gut“ sehen. Eine Gesellschaft die etwa anstrebt alle Menschen gleich arm zu machen wird Diebstahl anders sehen als eine die das nicht als Ziel hat.
In dem Moment in dem man postuliert dass es „Gut“ und „Böse“ nicht gibt weil es von der Sichtweise abhängt muss man sich vom Ziel einer vereinten Menschheit verabschieden. Vereint könnten wir nur sein wenn wir den gleichen Regeln folgen. Wenn wir uns aber nicht einmal darauf einigen können was keiner tun kann, dann ist die ganze Idee gestorben.
"Gut und Böse" sind Hilfs Konstrukte wie die Sprache, die Schrift, die Mathematik. Sie existieren weil sie Nutzen stiften. Wer nicht versteht dass Hilfs Konstrukte aber immer Vereinfachungen darstellen wird die Welt nicht einmal abstrakt verstehen sondern ewig glauben dass die Wege der Welt unergründlich wären.