Vor Jahrtausenden stand die zweite Generation von Anführern vor einem Problem. Sie wussten ganz genau dass sie nicht klüger, kompetenter, weiser oder vernünftiger waren als jene die sie beherrschten.
Sie wussten auch dass, wenn das das Fußvolk erkennen würde, das das Ende ihrer Herrschaft wäre.
Ihren Vorfahren, jene die als erstes herrschten, machten sich darüber keine Gedanken zur Zeit ihrer Herrschaft. Sie wussten ganz genau dass sie an der Macht waren weil sie die Chefs der Leute mit den größten und spitzesten Stöcken waren.
Ihre Macht resultierte einzig und alleine aus ihrem Willen die Macht an sich zu nehmen und der Möglichkeit es zu tun. Manche ernannten sich zum Gott aber das war oft weniger Methode als pure Eitelkeit.
Sich als Gott verehren zu lassen wurde aber für spätere Dynastien immer bedeutender. Das Volk wurde dazu gezwungen den Herrscher als ein Wesen zu sehen das von Natur aus über dem gemeinen Volk stand. Praktisch überall in der Welt ließen sich kupfer- bis eisenzeitliche Herrscher als Götter verehren oder pochten wenigstens auf göttlichen oder sonstigen übernatürlichen Ursprung ihrer Linie. Alle gaben vor das zu glauben (sonst war die Rübe ab) aber viele glaubten es wohl tatsächlich.
Dieser Götterführerkult ist heute eher selten geworden, existiert aber doch noch immer in einigen Ländern die bereits im Atomzeitalter angekommen sind, etwa Nordkorea.
Ein wesentlicher Teil der Welt aber distanzierte sich von dieser Denkweise. Die Beweislast wurde ja rasch unerträglich.
Wenn man denn ein Gott ist, warum braucht man dann Steuern?
Kann der Gottkönig nicht sein Essen selber herzaubern?
Dieser Zugzwang erforderte ein Umdenken.
Der Herrscher gab nun den Anspruch ein Gott zu sein auf.
Die Priesterschaft wurde nun noch stärker vor den Karren gespannt und der Herrscher pochte auf ein göttliches Mandat das dann, im Austausch gegen ein wenig Geld hier und ein paar Privilegien da, von der Priesterschaft bestätigt wurde.
In einigen frühmittelalterlichen Werken, etwa im Rígsþula, wird beschrieben dass die gesellschaftlichen Schichten nicht die gleichen Stammesväter hätten sondern quasi separat erschaffen wurden. Der Bauer war ein Bauer und der König ein König weil das eben ihre Linie war. Der König war damit ein „anderes Wesen“ und der Adelige stand, seinem Wesen nach, zwischen dem König und dem Bauer.
Nicht weil er das wollte, sondern weil es eben so war.
Das befreite nun die herrschende Klasse vom Aufruf ihre Göttlichkeit zu beweisen, nun taten sie eben einfach das was die Götter, oder Gott, für sie vorgesehen habe.
Die Beweislast der Existenz Gottes lag nun aber auf den Schultern der Priesterschaft. Solange die Priesterschaft die Bildung kontrollierte war auch jedem klar dass jemand der nicht an Gott glaube eben ein ungebildeter Trottel war. Als aber die Bildung allgemein zugängiger wurde, wurde der Skeptizismus raffinierter, ausgefeilter, ja weltmännischer. Davor verkörperte das bäurische „Wennst tot bist bist tot“ eben das Niedrige, Primitive, das Ungebildete.
Die Denker der Renaissance aber umgarnten die gleiche Idee mit Eloquenz und plötzlich war der Gläubige der Simple, der Naive, der Ungebildete. Die Naturgesetze bildeten nun die Komplexität, das Wahre.
Mit der weltlichen Bildung verschwand das Göttliche und man versuchte sich wieder in der Vergöttlichung der Führer, man baute Kulte, lobte sie zu Erlösern und dann plötzlich erkannte die Führung das das ganze Theater das sie seit Jahrtausenden veranstalten völlig unsinnig war.
Hier und heute akzeptieren hochgebildete Personen, hochintelligente Personen, höchstgradig erfolgreiche Personen, absolute Stümper und Versager als ihre Anführer.
Einfach so.
Menschen die sie nicht im Traum als Hauswart einstellen würden sitzen auf Ministerposten und werden akzeptiert. Akzeptiert von Menschen die hundert mal qualifizierter wären für diesen Minister Job.
Aber warum um alles in der Welt tun sie das?
Es scheint so als ob Menschen eben so sind. Menschen unterwerfen sich weil sie scheinbar von Natur aus unterwürfig sind und am Ende des Tages ist es ihnen egal wem sie sich unterwerfen. Wer auch immer an der Macht ist, der ist eben an der Macht und es wird schon einen Grund haben warum er da ist.
Achselzucken.
Kritisiert man das, starrt man in den gleichen Gesichtsausdruck wie der mittelalterliche Atheist der seinem Nachbarn sagt dass es keinen Gott gibt: Unglaube, Entsetzen, gefolgt von zärtlichem Bedauern, ja: Mitleid.
Seit Jahrtausenden versuchen wir uns einzureden dass wir besser sind als die Leute vor 1000 Jahren. Jede Epoche sah sich an der Spitze der Entwicklung aber in Wirklichkeit hat sich, abgesehen von unserer Technologie, nicht viel geändert.
Was wir aus der Geschichte lernen ist dass man das Volk nicht täuschen muss damit es tut was man möchte.
Man befiehlt und das Volk tut schon. Oftmals voreilend.
Solange es satt ist wird es auch nicht rebellieren. Damit fallen eben zunehmend alle Masken und absolut keinen interessiert es weil uns eben nicht wirklich interessiert ob die mit Macht qualifiziert sind.
Mit solchen Dingen beschäftigt sich nur der Spinner, der Sonderling, der Ungläubige und natürlich der ungebildete Pöbel der einfach nicht „versteht“ wie der Staat funktioniert. Wie der Atheist des Mittelalters ist der Libertäre heute eben ein kurioses Wesen. Nicht gehasst und nur gelegentlich verfolgt aber meistens eben etwas das schlicht als unsophisticated verstanden wird.
Man sollte glauben dass er für die Führung gefährlich wäre. Ist er aber interessanterweise nicht.
Heute sehen wir die "Atheistenspinner" des Mittelalters anders.
Wir stimmen ihnen zu und fragen uns warum die breite Masse eine Klasse von Betrügern so lange über sich duldete. Ich bin zuversichtlich dass sich dieses Muster wiederholen wird.
Ich bin aber nicht zuversichtlich dass es sich in diesem Jahrtausend noch ausgeht.
unbekannt https://en.wikipedia.org/wiki/Kingdom_of_God_(Christianity)#/media/File:Gottvater_thronend_Westfalen_15_Jh.jpg