Berthold Brecht sagte, dass man schon verloren hätte, wenn man nicht kämpft. Seither ist das ein Motto des Sozialismus und treibt Millionen Halbstarke jedes Jahr auf die Straße wo sie den Slogan in die Luft rufen. Wie so viele andere ihrer Slogans macht dieser Spruch oberflächlich betrachtet Sinn (und mehr braucht es nicht um Halbstarke zu überzeugen), steht aber auf einem wackeligen Fundament. Und dieses Fundament werden wir uns heute ansehen.

Als Erstes gilt es zu verstehen, dass tatsächliche Verlierer eines Konfliktes üblicherweise von den Gewinnern abgestraft werden. Wirklich verheerend wird diese Strafe, wenn die unterlegene Seite als der Aggressor verstanden wird. Wenn man also angreift und verliert kann man hinterher einen ganzen Haufen verlieren. Hier gilt es zu verstehen, dass viele der Dinge die wir heute als selbstverständlich sehen nicht selbstverständlich sind. Von Frauenrechte bis hin zu fließendem Wasser, das alles kann nach einem Konflikt weg sein. Das erkennen wir an dem Umstand, dass der Großteil der Menschen auf der Welt diese Dinge nicht hat.

Jeder Mensch sollte diese Dinge haben, hat sie aber nicht, weil es dafür keine Garantie gibt und geben kann. Unterdrückung und Armut ist nicht die Ausnahme, sondern die Regel in Welt und Geschichte. Selbst Leute die glauben sie hätten nichts zu verlieren, weil sie ja nichts haben, haben üblicherweise deutlich mehr als ihnen klar ist und können daher nach einem Konflikt mit weniger dastehen als das was sie jetzt schon als „Nichts“ verstehen.

Es gibt also immer etwas zu verlieren.

Wenn man sich dennoch dazu entscheidet zu kämpfen sollte man sich überlegen ob man gewinnen kann, denn Krieg ist am Ende des Tages eine mathematische Angelegenheit. Man multipliziert was man hat (Soldaten, Waffen, Infrastruktur, usw) mit der Qualität dieser Dinge und wenn man mehr davon in den Kampf werfen kann als der Feind dann stehen die Chancen schonmal ganz gut.

Case and Point:

1934 gingen sich in Österreich bekanntlich die Linken und Rechten an die Gurgel. Auf der einen Seite standen SDAPÖ, Schutzbund und KPÖ. Auf der anderen Seite die Republik Österreich, Polizei, Militär und praktisch jede konservative Miliz. Die konservativen Kräfte verfügten über Millionen von Schuss und hundertausende Waffen, die genauen Zahlen sind nicht bekannt.

Wir wissen aber dass das rote Bündnis 80 000 Kämpfer hatte. Diese 80 000 Kämpfer waren mit 2500 Gewehren und 250 Revolver versorgt, sowie 10 000 Schuss Munition.

Keine Kommafehler in dieser Aufstellung. Statistisch hatten in dieser Situation 28 von 29 Kämpfern keine Waffe und jede Waffe konnte ganze vier Mal abgefeuert werden.

Der Konflikt war entsprechend schnell erledigt und ermächtigte die Sieger zu drastischen Maßnahmen gegen die Verlierer, Maßnahmen die die Bevölkerung ohne die Konflikte und das zuvor entstandene Säbelrasseln wohl nicht akzeptiert hätte.

Die Situation des Sozialismus war also nachdem sie gekämpft haben schlechter als davor. Wäre die Situation ohne Kampf genauso gekommen? Wir wissen es nicht so genau aber die Vermutung liegt nahe, dass das Heraufbeschwören der Revolution eben reaktionäre Kräfte gestärkt hat. Ich für meinen Teil sehe das als eine Wiederlegung von Brechts Slogan.

Bevor man kämpft sollte man sich also darüber im Klaren sein, dass man sehr wohl etwas verlieren kann. Irgendwas steht immer am Spiel. Als Nächstes gilt es dann zu verifizieren ob man eine Chance hat und wenn die Chancen schlecht sind, weil die anderen alle Waffen und man selber nur alle IPhones hat, dann sollte man sich fragen ob die Leute die einen zur Revolution aufrufen einfach nur völlig inkompetent sind oder aber dahinter etwas anders steckt; ob jene die einen aufpeitschen einen eventuell gar nicht siegen sehen wollen, sondern einen Grund brauchen die Daumenschrauben für alle fester zu ziehen.

Die Anzahl an Menschen die im Moment einen bewaffneten Konflikt herbeisehen ist unangenehm groß geworden und ich denke der Grund dafür ist dass was wir haben zu selbstverständlich geworden ist und wir erst, wenn wir in der Asche sitzen, erkennen werden wie dämlich es war den Konflikt zu suchen.

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