Egoismus ist für Kollektivisten ein böses Wort. Wenn jeder tut was er tun will bleibt ja das Kollektiv auf der Strecke. Und es soll ja allen gut gehen. Soweit so gut.

Das Problem ist aber nun, dass Kollektivisten ja nicht wirklich mit allen Menschen ein Kollektiv bilden wollen, denn da gibt es ja immer die Bösen, die Unreinen also die Anderen eben. Und von denen will man sich ja nichts sagen lassen.

Prominent ist etwa die Idee, dass Männer nicht über Gesetze bestimmen sollten die vorwiegenden Frauen betreffen, Abtreibung etwa. Hier betreten wir die Welt der Identitätspolitik. In der Identitätspolitik zählt wer man ist und zu welcher Gruppe (Kollektiv) man gehört. Dieses Kollektiv lässt sich von anderen nicht reinreden. Wenn es etwa um Abtreibung sollen Männer keine Stimme haben. Kurzsichtig betrachtet macht das auch irgendwie Sinn.

Denkt man die Sache aber weiter kommt man zu Ideen wie „Dänen sollten nichts bestimmen das Schweden betrifft“. Diese Idee führt zu Nationalismus. Man kann auch sagen, dass Chinesen nicht über Afrikaner bestimmen sollen. Das führt dann zu Rassismus. Man kann auch sagen, dass reiche Schweizer nicht über arme Schweizer bestimmen sollten. Das führt zu Klassismus. Kombiniert man alle diese Dinge (und noch mehr) muss man aber unweigerlich zum Schluss kommen, dass niemand über einen anderen bestimmen darf, weil jeder sein eigenes Kollektiv ist.

Identitätspolitik, insbesondere wenn in Kombination mit Intersektionalität, führt in letzter Konsequenz zu Individualismus, denn die kleinstmögliche Gruppe ist der Einzelne.

Das stellt Kollektivisten vor ein Dilemma, das sie aber üblicherweise nicht erkennen. Wenn man Kollektivist sein will muss man sich der Meute unterwerfen und akzeptieren, dass die Meute, aus subjektiver Sicht, völlig absurde Ansichten hat die man nicht mittragen möchte. Der echte Kollektivist müsste sich der ganzen Menschheit unterwerfen. Leute die das tun wollen gibt es praktisch nicht.

Natürlich: Es gibt Menschen die der ganzen Menschheit ihren Willen aufzwingen wollen, aber niemanden der sich der Weltdurchschnitt (wie er ist) unterwerfen möchte.

Sieht man aber die Welt als ein komplexes Netzwerk aus identitätsbasierenden Kollektiven (Intersektionalität), eine Welt in der man mit Leuten gleicher Sexualität, Rasse, Ideologie, Klasse, Einkommen, Wohlstand usw. ein Kollektiv bildet und diese Kollektive miteinander im Wettbewerb stehen (Reich vs Arm, Männer vs Frauen usw.) ergibt sich rasch die Frage wer denn nun die eigene Gruppe ist, denn die weiße homosexuelle Frau ist eben nicht nur Frau, sie ist auch homosexuell und weiß. „Die Frauen“ gibt es in dieser Weltsicht nicht und damit ist die Idee, dass „Nur Frauen über Frauen bestimmen“ weil jede Frau eben noch andere Dinge ist und sich von „den Anderen“ nicht reinreden lässt, aus dem Rennen.

Identitätspolitik funktioniert nur dann, wenn es klar definierte Kollektive gibt und klar definiert ist wer Teil welches Kollektivs ist.

Nehmen wir den Nationalismus als Beispiel: es gibt eine halbwegs klar definierte Anzahl an Kollektive (Nationen) und halbwegs klar definierte Nachweise wer zum Kollektiv gehört (Staatszugehörigkeit). Die Nationen tun dann was sie tun wollen und haben im Grunde kein Recht anderen Nationen reinzureden. Und nicht einmal das funktioniert perfekt, siehe „Krieg“.

Informelle (vulgo: schwammige) Identitätspolitik, die sich um Identitäten dreht, scheitert aber noch dramatischer als er Nationalismus, aus genau den gleichen Gründen: es gibt keine homogenen Kollektive in denen alle gleich sind und das Gleiche wollen.

Die Grundannahme, dass es so etwa gäbe ist schlicht falsch.

Deswegen hinterlässt jede Identitätspolitik so einen bitteren Nachgeschmack, sie schafft keine Solidarität sondern zerfetzt organisch gewachsene Gruppen, Gruppen die zusammen sind um etwas gemeinsam zu tun und für all das was sie zerstört gibt sie im Grunde nichts zurück, außer Gruppen die sich hohl und leer anfühlen, weil sie hohl und leer sind.

Identitätspolitik ist nicht das Gegenteil zum Egoismus.

Egoismus ist schlicht das was passiert wenn man dahinterkommt dass man eben nicht in eine Gruppe geboren ist sondern frei entscheiden kann mit wem man solidarisch sein möchte und mit wem nicht.

Egoismus ist damit die politische Erleuchtung die uns zum Anführer über uns selber und sonst keinen macht.

Man stelle sich eine Welt vor in der sich jeder um seine Angelegenheiten kümmert und niemand seine Nase unaufgefordert in die Angelegenheiten anderer steckt, wo wir Menschen helfen die die Hilfe verdienen und damit nur Menschen übrig bleiben die keiner mag.

Wäre das nicht eine bessere Welt als eine Welt in der zählt was zwischen unseren Beinen hängt, welche Hautfarbe wir haben oder wo wir geboren sind? Wäre so eine egoistische Welt nicht besser?

Vermutlich.

Allerdings nicht für die Monster unter uns.

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