Die industrielle Revolution brachte erhebliche soziale Veränderungen mit sich, Veränderungen an denen wir bis heute knabbern, Case and Point: die Schriften von Marx werden noch immer debattiert. Dass seine Schlussfolgerungen sich als unbrauchbar herausgestellt haben ist eine Sache aber die von ihm angesprochenen Probleme sind zum Teil tatsächlich ungelöst und eventuell gilt es den Themenkomplex anders zu beleuchten, und zwar aus der Sicht der Selbstständigkeit und was diese für uns als Menschen eigentlich bedeutet.
Die Welt vor der industriellen Revolution war völlig anders als unsere und die Begriffe, die wir heute benutzten sind, zum Teil unzureichend, zudem gibt es eine gewisse Neigung von Menschen die Vergangenheit als universal rückständig zu sehen. Wir werden aber versuchen recht moderne Begriffe zu verwenden, um die Vergangenheit besser zu verstehen.
Beginnen wir mit den Besitzverhältnissen. Das Land hat immer wenigen gehört und dieser Besitz ist eng mit der Diplomatie der spitzen Stöcke verbunden: wer das Land erobern und halten kann, dem gehört es. Das ist auch heute nicht wirklich anders. Die beste Möglichkeit dann aus dem Land Geld zu extrahieren ist das Land zu verpachten, Menschen drauf arbeiten zu lassen und dann einen Teil der Arbeit als Pacht einzuziehen und genau das taten die Anführer der Typen mit den spitzen Stöcken eben auch immer.
Auch heute noch, wohlgemerkt. Dieser Teil der Machtdynamik hat sich seit der Steinzeit nicht fundamental geändert, wir kaschieren es nur heute hübscher als vor 1000 Jahren.
Die Bauern, die dann das Land bewirtschafteten, waren, in modernen Begriffen, Selbstständige auf gepachtetem Boden. Selbstständig bedeutet hierbei in aller erster Linie, dass sie keinen Lohn erhielten und dann ihre vertraglich festgelegten Stunden leisteten sondern, wie ein moderner Selbstständiger, Ertrag erwirtschafteten und dann Steuern ablieferte. Die Einzigen die an das Angestelltenverhältnis sinngemäß herankamen waren Diener. Und Sklaven, wobei der Unterschied darin lag, dass der Diener seinen Dienstgeber wechseln konnte, wenn er wollte. Der Sklave nicht. Sklaven und Diener waren sich aber, basierend auf dem Arbeitsverhältnis, näher als den Bauern. Das sagt aber nichts über Armut aus. Manche Sklaven lebten angenehmer als viele freie Bauern.
Der wesentliche Punkt hierbei ist, dass weit über 90% der Bevölkerung in selbstständigen Familienbetrieben arbeiteten (die meisten als Bauern). Irgendein Grobian herrschte über das Land, dem gab man Steuern und befolgte seine Regulationen, weil man sonst eine über die Rübe bekam, aber die meisten Menschen durchlebten ihr Leben, ohne auch nur zu erfahren, was ein Bewerbungsgespräch sein sollte.
Fast alle unsere Vorfahren lebten so und die Evolution sorgte dafür, dass jene die das gern machten besser lebten als jene die nicht so gern so leben möchte.
Der Umstand dass Sklaven tendenziell ungern Sklaven sind legt ebenso nahe dass wir einen gewissen Drang haben so zu werken wie der selbstständige Bauer, Schmied, Schuster und so weiter die 90% unserer Vorfahren bilden und das bedeutet dass in uns allen ein massiver Drang zur Selbstständigkeit existieren sollte den man erst seit gut 200 Jahren versucht uns systematisch auszutreiben.
In der Zeit der industriellen Revolution(en) krachte der Anteil der defakto Selbstständigkeit von „fast alle“ auf „fast keiner“ zusammen und das muss einen Einfluss auf unsere Psyche gehabt haben. Die ersten Arbeiter die noch aus einer Welt stammten in denen jeder Selbstständig war dürften, für die Fabrikbesitzer, ein Horror gewesen sein weil sie nicht brave Befehlsempfänger waren, das wurde der Mensch erst als man uns durch das Schulsystem zwang wo man junge Menschen auf all die Tugenden vorbereitet die ein Arbeiter hat: still arbeiten, pünktlich sein und Anweisungen nicht hinterfragen.
Ich denke die Forderung des Sozialismus den Menschen und sein Produkt wieder näher zusammenzuführen oder den Wunsch die Betriebsmittel in die Hände der Arbeiter zurückzubringen sind alles Echos der Art in der wir leben sollten: selbstständig im Betreib den dem man irgendwie beteiligt ist. So wie es eben war, bevor die industrielle Revolution alles geändert hat.
Und das führt uns zu einer interessanten Frage, die da lautet: könnte das freie Unternehmertum die fundamentalen Probleme lösen, die dem Sozialisten unter den Fingernägel brennen? Sprich ist die Welt voller Unternehmer und die Welt voller Arbeiter, denen die Fabriken gehören nicht im Grunde fast das Gleiche? Ist die Lösung am Ende nicht mehr Zentralisierung, sondern doch eine Rückkehr zu einer dezentraleren Welt?
Ist die Lösung am Ende nicht doch freies Unternehmertum, anstatt auf die Güte einer Partei zu vertrauen die nie die Ziele erreicht hat die sie vorgegeben hat zu verfolgen? Ist mehr Kapitalismus nicht doch die Lösung und nicht das Problem?