In einem Wort: Natürlich. Konkreter ausgedrückt: warum sollte es bei uns nicht möglich sein? Und für jene die es bis hierhergeschafft haben, soll unsere Debatte wirklich beginnen.
Am Anfang muss festgestellt werden, dass in einem Bürgerkrieg nicht jeder gegen jeden kämpft. Die meisten Menschen halten ihren Kopf unten und warten wer gewinnt, um dann zu behaupten, dass man eh schon immer auf deren Seite gestanden hat. An einem Bürgerkrieg sind selten mehr als 10% der Bevölkerung wirklich aktiv beteiligt. Das bedeutet, dass jene die den Bürgerkrieg gewinnen, im Schnitt 2-5% der Bevölkerung ausmachen.
An der Stelle bitte ich den Leser sich zu fragen wie viel Prozent der Bevölkerung er für gewaltbereite Irre hält. Kurz nachdenken, die Zahl auf einen Zettel kritzeln. Erledigt? Dann weiter.
Diese kleinen Zahlen sind die Krux an der Sache, die hilft zu verstehen, warum Bürgerkriege immer eine Möglichkeit darstellen. Wir sprechen hier von relativ wenigen Menschen, die immer existieren und immer bereit sind für eine Idee zu sterben und zu töten.
Natürlich gibt es Polizei und Militär, aber wie viele kampfwillige Personen kann ein Soldat besiegen, bevor er fällt? Bitte auch diese Zahl auf den Zettel kritzeln.
Um das in Perspektive zu rücken: Die Polizei macht 0,004% der Bevölkerung aus, das Militär 0,005%. 2% der Bevölkerung sind 200 mal mehr Leute als Militär und Polizei gemeinsam. Das bedeutet, selbst wenn Militär und Polizei auf einer Seite stehen und auf der anderen Seite nur 4% der Bevölkerung sehen sich die Uniformierten einer Übermacht von 400:1 gegenüber. Und in anderen Ländern sieht es eben ähnlich aus.
Das ist der Punkt, an dem der vorher bekritzelte Zettel interessant wird. Auch kleine Prozent Zahlen sind verflixt unangenehm groß und wie viele von euch denken, dass ein Polizist sich gegen 401 bewaffnete durchsetzen kann bevor er fällt? (über die Anzahl an Uniformierten die einfach heim gehen fangen wir besser gar nicht an zu spekulieren)
Wenn sich aber auf einmal zehntausende Menschen, mehr oder weniger koordiniert, bewegen sie sich typischerweise früh zu Zielen wo Waffen gelagert sind, was im Erfolgsfall das System (Polizei / Militär) schlagartig schwächt und sie schlagartig gefährlicher macht.
Und das ist der Punkt wo 90% der Bevölkerung den Kopf einziehen und warten wer gewinnt.
In einem politischen Klima in dem jede Seite behauptet dass die Gegenseite aus Gewaltbereiten besteht und jeder rauf und runterschwört dass ein Viertel bis die Hälfte der Bevölkerung gefährlich ist, sollte die Angst vor einem Bürgerkrieg sehr real sein.
Aber das ist sie nicht.
Und das ist das Spannende für mich.
Entweder liegt das daran, dass die Menschen eigentlich eh nicht glauben, dass „die Anderen“ so gefährlich sind, wie sie tun, oder sie glauben daran dass unsere Polzei und Militär aus Rambos bestehen die mit einer 200:1 Übermacht klar kommen. Oder sie haben die Zahlen nicht im Kopf und denken dass 25% der Bevölkerung bei Polizei und Militär arbeiten.
Am Ende ist Krieg es ein Zahlenspiel.
Der Satz „Das könnte bei uns nie passieren, weil wir sind zivilisiert, also alle bis auf die 25% Rechten/Linken/Islamisten/Nazis/Kommunisten/Grüne/Starwarsfans unter uns, aber wir sind ja mehr“ so idiotisch in meinen Ohren klingt.
Keine Gruppe die jemals die Macht übernommen hat startete mit einer Mehrheit. Jede dieser Gruppen war klein und sie kämpften mit anderen kleinen Gruppen um das Schicksal einer Nation und erst wenn die kleine Gruppe sich durchsetzte und ihre Flagge aushängte, stiegen die Mitgliederzahlen.
Bürgerkriege sind immer möglich und die einzige Möglichkeit sie zu verhindern ist zu akzeptieren dass sie passieren können wenn sehr wenige Prozent der Bevölkerung denken dass sie nur bekommen was sie brauchen wenn sie zur Waffe greifen.
Und viel zu viele Menschen denken, für meinen Geschmack, viel zu laut genau das.
Und das macht mir Angst und ich frage mich warum ich mit dieser Angst scheinbar so alleine bin.
Hasan Almasi/unsplash https://unsplash.com/de/fotos/menschen-die-sich-nachts-auf-der-strasse-versammeln-OwqLxCvoVxI
