Religion ist für die Menschen wichtig. Deswegen ist sie ja noch da. Religion ist aber im ständigen Wandel. Alte Götter gehen aus der Mode, werden zu Märchen und Fabeln, ihre Tempel werden zerstört oder eben den neuen, modernen Göttern geweiht. Zeus und Wotan waren einst Wörter die Furcht und Respekt diktierten. Heute tun sie das nicht mehr.
Der christliche Gott befindet sich gerade in so einem Wandel, von einem Wort auf das hin Millionen in den Krieg zogen zu einer Witzfigur über die man Späße macht. Aber das Ende des einen Gottes ist eben immer die Geburt eines anderen, der eben völlig anders sein kann.
Der christliche Gott war etwas völlig anderes als etwa das Pantheon der Römer. Die Religion nahm ein völlig anders Gesicht an, die öffentlichen Opferungen etwa wichen stiller Meditation und die klaren Vorstellungen der Strukturen der alten Götter wurden durch ein allumfassendes Konzept „Gott“ ersetzt, eine revolutionäre Änderung also.
Was Religion aber immer bleibt, egal welche Form sie annimmt, ist eine klare Trennung zwischen dem was den Menschen angeht und dem und dass sich die höhere Macht kümmert. Jede Religion zieht diese Linie aber anders. Manche Götter legen ein Regelwerk vor und verlangen, dass diese Regeln jeder auf der Welt einhält und die Gläubigen sind angewiesen diese Regeln zu exekutieren, andere Religionen tun das nicht. Jede Religion definiert diesen Rahmen der Zuständigkeit also anders und liegen daher miteinander mehr oder weniger im Clinch.
Zudem erkennen Religionen sich gegenseitig kaum an. Der Gott des einen ist oftmals „kein echter Gott“ und wird verbissen bekämpft und oftmals zum esoterischen Feindbild. Der gehörnte Gott Cernunnos der Kelten, ein Gott der Fruchtbarkeit und Natur, beeinflusste zumindest die Vorstellung der europäischen Christen wie der Teufel aussehen würde. Der Gott der „Anderen“ wurde zum eigenen Teufel und damit die Anhänger des anderen Gottes zu „den Bösen“.
Aber was ist so ein Gott?
Ein Gott ist im Wesentlichen ein Wesen das sich um die Dinge kümmert die wir nicht beeinflussen können und eventuell wichtiger: um die wir uns nicht kümmern sollen. Man muss sich eben nicht darum kümmern ob die Sonne aufgeht oder nicht. Das macht Ra-Horakhty, man opfert nur eben ab und an einen Hasen damit er seinen Job weiter macht, weiß aber, dass er seinen Job machen wird und kann. Die Kompetenz der eigenen Götter wird praktisch nie in Frage gestellt.
Kann Politik nun eine Religion sein? Natürlich. Ohne Weiteres.
Wir ersetzen einfach Gott zum Beispiel durch den Staat. Der Staat ist, wie Gott, nicht greifbar. Natürlich gibt es Orte wo in seinem Namen gesprochen wird und Menschen die seinen Willen interpretieren und entsprechend handeln.
Die Kirche weicht dem Amt, der Priester dem Beamten, der Kardinal dem Minister und der Papst dem Kanzler. Und wie die Gläubigen in der Vergangenheit erschallt grelle Empörung bei den Gläubigen, wenn man sagt, dass es Gott nicht gibt. Und den Staat halt auch nicht. Nicht wirklich jedenfalls.
Die Klügeren unter den Gläubigen argumentierten damals wie heute mit dem gleichen Satz „Aber wenn wir so tun als ob, wird die Welt ein besserer Ort“. Und sie haben damit sogar recht. Bis zu einem gewissen Grad.
Die meisten Menschen brauchen das Gefühl, dass sich jemand um „die großen Dinge kümmert“, über die Dinge die sie nicht verstehen. Früher war das der Vulkan, heute ist es das Verteidigungsbudget.
Das Problem ist nur eben Fanatismus, also wenn man beginnt zu glauben, dass absolut alles in den Händen dieser unfehlbaren Macht liegen müsse.
Die Idee läuft zurück auf das Konzept der Unfehlbarkeit der höheren Macht. Wenn man Menschen für fehlbar hält und die höhere Macht für unfehlbar, liegt es auf der Hand nicht nur die großen Entscheidungen des Lebens, sondern auch die kleinen in die Hände dieser Macht zu legen. Jede Handlung wird zu einer Übung im Glauben oder um es in aktuellen Konzepten auszudrücken: das Private ist dann auch stets politisch.
Religion hat einen Platz in unserer Gesellschaft, so lange es jedenfalls Menschen gibt die an perfekte höhere Mächte glauben müssen um abends ruhig einschlafen zu können. Stets wird es Menschen geben die diesen Glauben nutzen um Macht über andere zu haben. Die meisten Priester glauben nicht an Gott, sie wissen aber dass das Wort „Gott“ der Schlüssel zu Macht über ihre Mitbürger ist. Der gleiche Menschenschlag sagt nun eben nicht mehr Gott. Er sagt „soziale Gerechtigkeit“ oder „Nationalstolz“ und erreicht bei seiner kleinen Herde genau das gleiche wie der Priester früher.
Nationalismus, Sozialismus und der Gleichen sind wie die Kulte um Buddha oder Amesemi: Menschen die etwas verkaufen das es nicht wirklich gibt, aber an das die Menschen glauben wollen, weil dieser Glaube an dieses „höhere Ding“ für sie wichtig ist und die Idee, dass es dieses Ding gar nicht gibt für sie unerträglich ist.
Und um dann auch noch eine Lanze für die Minister und Priester zu brechen: manche benutzen diese Macht ja auch tatsächlich um die Welt zu verbessern. Aber eben nicht alle. Noch nicht mal die meisten. Auf jeden guten Priester und Minister kommen zehn die das Spiel spielen, weil sie Macht lieben und bereit sind einen Haufen ihrer Gefolgsleute zu opfern nur um mehr Macht zu bekommen.
Hat man das verstanden, wird vieles klarer.
Hat man dazu verstanden, dass Gläubige das nicht verstehen können, wird auch der Kommentarbereich verständlicher.