Marx beschrieb die Welt als einen Konflikt zwischen jenen die ihre Arbeit verkaufen mussten und jenen die die Produktionsmittel besitzen und so von der Produktion, mittels zugekaufter Arbeit, profitieren könnten.

Im gestrigen Artikel haben wir diskutiert, dass diese Analyse von einem Händler-Mindeset ausgeht, das zur Zeit von Marx bereits völlig das Denken der entwickelten Welt übernommen hatte. Im Mittelalter sah man die Welt anders, man sah nicht ein Zweiklassensystem zwischen Unterdrücker und Unterdrückten, sondern Variationen eines Fünfklassensystems:

Arbeiter,

Krieger,

Händler,

Priester und

Bürokraten. Um moderne Begriffe zu verwenden.

In der orthodox-marxistischen Sicht ist die Bourgeoisie zwar in erster Linie die erfolgreichen Händler- aber auch Elemente der Priester- und der Kriegerkaste. Das Interessante an dieser Weltsicht ist, dass sie, im Gegensatz zu vormodernen Sichten, die Arbeiter (früher vorwiegend als Bauern verstanden) als eine Klasse versteht die einen Führungsanspruch geltend machen könnte.

In der Vergangenheit wurde das verworfen, weil so etwas schlicht nie passiert ist. Wenn die Bauern irgendwo Macht bekommen, haben dann, weil sie Händler, Krieger, Bürokraten oder Priester wurden.

Das in Wirklichkeit revolutionäre an der Sichtweise von Marx war also die Idee, dass auch die Bauern herrschen könnten. Gleichzeitig zerteilte man die anderen Klassen, indem man den Soldaten als einen Arbeiter verstand und den General als Bourgeoisie, was die alte Sichtweise völlig unmöglich machte. Und diese Sicht der Welt ist heute tief in uns verwurzelt.

Das Problem ist, dass sie falscher ist als die vormoderne Sicht.

In der Praxis zeigte sich, dass die vormodernen Denker eben Recht hatten. Der Sozialismus bringt keine herrschenden Arbeiter hervor, sondern wandelt sich sehr rasch zu einem bürokratischen System, das versucht ohne ein Händlermindest auszukommen. Das Arbeitermindset, also brav und sorgfältig auszuführen, steht im eklatanten Widerspruch zur Idee der Planung und Führung, was die eigentliche Achillessehne des Sozialismus ist: es will das jene führen die am wenigsten führen wollen und können, was dazu führt, dass sich sofort Priester, Bürokraten oder Krieger ans Ruder schwingen und aus dem vermeintlichen Arbeiterparadies etwas machen das, je nachdem, gut für Bürokraten, Krieger oder Priester ist.

Hier sei eingeworfen, dass man auch atheistische Konzepte, wie den Glauben an die Allmacht des Staates, predigen kann. Ein Priester muss nicht an Gott glauben. An den Staat, die Partei oder ein Ideal zu glauben ist genauso gut. Der Professor ist nicht selten ein moderner Priester. Er ist auch zum Teil Bürokrat und nicht selten auch ein Händler.

Und das ist die Krux an der Sache und eventuell der Schlüssel zu einer neuen Weltsicht: Wir alle sind Arbeiter, Bürokraten, Händler, Priester und Krieger gleichzeitig. Jeder von uns kann in jedes Mindset schlüpfen, weil jedes dieser Mindsets einen Wert und Nutzen hat. Jeder dieser Elemente macht uns stark und potenziell korrupt.

Jedes dieser Mindsets kann zu weit gehen.

Das Arbeitermindset lässt uns Ding sauber gewissenhaft und ausführen, aber wenn es dominant wird, stagnieren wir.

Das Händlermindest lässt uns Chancen sehen und ergreifen, aber wenn es dominant wird verkaufen wir unsere Großmutter.

Das Kriegermindset befähigt uns, uns zu verteidigen, aber wenn es zu dominant wird, greifen wir unprovoziert an.

Das Priestermindest lässt uns an Dinge glauben die größer sind als wir, aber wenn es dominant wird verlieren wir den Bezug zur Realität.

Das Bürokratenmindset lässt uns Probleme lösen die tausende Hände benötigen aber wenn es dominant wird enden wir in einem System in dem wir alle nur noch Nummern sind.

Der Schlüssel ist Balance, nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch in uns und vor allem die Akzeptanz, dass wir alle diese Teilaspekte brauchen. Es ist eben nicht so dass die Welt besser wird, wenn es, je nach Ideologie, keine Krieger oder Bürokraten, Händler oder Priester mehr gibt, sondern wenn eine gesunde Balance herrscht und sich die Klassen oder eben besser: die Mindsets gegenseitig so in Schach halten, dass keine die Möglichkeit hat eine ständige Dominanz zu erlangen.

Es gilt die Klassenanalyse also von der, bewiesenermaßen fehlerhaften, Unterdrücker-Unterdrückten Sicht zu befreien und zurück zu einer weniger simplistischen Weltsicht zu finden die besser mit der Realität in Einklang steht und zu akzeptieren dass jede noch so nützliche oder noch so gute Weltsicht, wenn man sie zu weit treibt, zu einem Horrorszenario wird. Der Schlüssel zu einer erfolgreichen Gesellschaft ist Balance der Mindsets, nicht die Diktatur einer Weltsicht und die Vernichtung aller anderen.

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