Im Mittelalter war jede Kräuterkundige eine Hexe, in den 50ern war jeder, der einen Sicherheitsgurt gut fand, ein Kommunist, in den 80ern war jeder Heavy-Metal-Fan ein Satanist. Jetzt ist jeder ein Nazi, der meint, dass Grenzen eine grundsätzlich vernünftige Sache wäre.

Alle 30 Jahre kocht eine sogenannte moralische Panik hoch. Analysten, insbesondere T. Warwick, thematisieren das nun seit einiger Zeit und langsam tröpfelt es auch in die US amerikanischen Massenmedien ein. Es ist also an der Zeit, uns auch damit zu beschäftigen, bis dato sind die Quellen in deutscher Sprache eher spärlich.

Was ist so eine moralische Panik?

Eine moralische Panik beginnt klein mit einem Anlassfall. Irgendetwas passiert, das vom der Bevölkerung praktisch vollständig vollständig abgelehnt wird. Daraus folgt die Überlegung, dass Dinge, die keiner mag, nicht passieren dürften. Das passiert ständig, verpufft aber meistens im Nichts, es sei denn, Medien, Politik und Staat springen auf diese Idee auf und postulieren, dass es Gruppen im Staat gäbe, die dieses Verhalten ermöglichen.

Es entsteht eine massive Besorgnis in der Bevölkerung, die dann in Feindseligkeit umschlägt. Wir reden an diesem Punkt noch nicht von Lynchmobs, die kommen später, wohl aber von einem klaren unterscheiden zwischen „Denen“ und „uns“.

Menschen, die vom Konsens abweichen, werden zum Teil als semikriminell gesehen, wenigstens aber als moralisch unterlegen. Der Sprung in die Übereinstimmung stellt dann das wahre Problem dar. Hier werden gemeinsame Definitionen erstellt. Als Beispiel wurde etwa der Hexenhammer gebracht, der aus dem wirren „tötet die Hexe“ Gepöbel, eine Anleitung konstruierte, wie man die Hexe erkennt und dann mit ihr umzugehen hat.

Bei vollständiger Eskalation kommt man in die letzte Phase, die sogenannte Disproportionalität. Hier kommt dann der Lynchmob in Aktion, der Menschen aufgrund von Vermutungen und Hörensagen aufknüpfen möchte.

In einer moralischen Panik wird jedes Wort auf die Goldwaage gelegt, alles ist irgendwie moralisch Relevant und Gefühle haben plötzlich in Debatten, selbst auf höchsten Ebenen der Gesellschaft, das Gewicht das nur Argumente haben sollten.

Wir befinden uns vermutlich in so einer Panik und steuern auf den Zenit zu. In anderen Worten: Es wird noch eine Spur verrückter, aber in 5 Jahren wird man über die Nazijäger so sehr lachen wie über die TV Prediger die aus Schallplatten Dämonen ausgetrieben haben.

Aber keine Sorge. 2050 haben wir die nächste Chance den gleichen Irrsinn noch einmal durchzumachen, die Zeit dazwischen könnte aber deutlich friedlicher sein als das Hier und Jetzt.

Ich jedenfalls drücke uns die Daumen.

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