In einer recht aktuellen Studie von Haidt, Graham und Nosek (The Moral Stereotypes of Liberals and Conservatives: Exaggeration of Differences across the Political Spectrum) wurde, neben anderen Dingen, überprüft ob unterschiedliche Gruppen das Verhalten von anderen Gruppen einschätzen würden können.

Der Versuchsaufbau war denkbar einfach: zum Einen sollten Teilnehmer der Studie einen Fragebogen (mit moralischen Fragen) so beantworten wie sie es selber für richtig empfinden. In einem weiteren Durchgang sollten sie in die Schuhe anderer Gruppen schlüpfen und entsprechend antworten. Die Einschätzungen wurden dann mit den tatsächlichen Antworten vergleichen.

Das Resultat ist etwas das viel wohl schon erahnen konnten:

Moderate konnten sowohl linke als auch rechte Positionen gut einschätzen,

Rechte konnten moderate und linke Positionen einschätzen und

Linke konnten beides nicht wirklich gut.

Vor allem Personen die sich als „sehr links“ bezeichneten versagten hierbei auf ganzer Linie.

Etwa bei der Frage „Eines der schlechtesten Dinge die ein Mensch tun kann, ist ein wehrloses Tier zu quälen“ dachten Linke dass Konservative dem widersprechen würden.

Auch bei der Frage „Gerechtigkeit ist wichtig“ War es für die Linken klar, dass Konservative hier verneinen würden.

Was nicht stimmte.

Konservative hingegen sind sich darüber im Klaren dass Linke schlicht eine andere Vorstellung von „Gerechtigkeit“ haben, erkennen aber dass jeder nach einer Form von Gerechtigkeit strebt.

Für jemand der mit Rechten und Linken sehr aktiv plaudert, war das natürlich nicht sonderlich überraschend.

Jack Dorsey etwa, ein Mitgründer von Twitter, plauderte bei einem Interview aus dem Nähkästchen und erzählte davon wie linke Journalisten sich im Grunde nur gegenseitig auf Twitter folgen würden.

Linke konsumieren nur linke Quellen, Konservative und Moderate aber folgen allen.

Entsprechend kennen Konservative die linken Argumente, Linke aber die konservativen nicht. Was sie aber nicht davon abhält zu glauben sie würden Konservative verstehen.

Das führt dazu dass der Konservative den Linken aber eben deutlich besser versteht, wohingegen der Linke ein Bild des politischen Mitbewerbs hat das mit der Realität deutlich weniger zu tun hat als mit der Phantasie von Gleichgesinnten.

Das ist für die Linke insofern fatal als dass sie die Unterstützung der Moderaten verlieren. Die Moderaten, und das ist nun Mal die Mehrheit der Bevölkerung, kippt nach rechts, weil die Rechten sie eher verstehen als die Linken.

Die Betonung liegt auf "eher".

Die Linke empfindet das als Verrat und schlägt wild um sich und versucht die Moderaten mittels shaming zurück ins eigene Lager zu zwingen. Das ist eine Taktik die eine Zeitlang funktioniert, aber eben auch nicht ewig. Zucken genügend Moderate mit den Achseln wenn die Linken ihnen vorwerfen irgendwasistisch zu sein, bricht die moderate Unterstützung für die Linken vollständig zusammen.

Das Resultat ist dann ein paradigmatischer Wechsel der sich bereits abzeichnet.

Die Ironie an der Sache ist, dass es die Linke ist die sich als Feind der Intoleranz versteht und gerade an ihrer eigenen Intoleranz zu Grunde geht.

Hätte die Linke nicht in den 90iger, als sie den kulturellen Krieg faktisch gewonnen hatte, nicht dazu entschlossen die besiegte Gegenseite zu ignorieren sondern weiterhin herauszufordern, hätte sie ihre Herrschaft noch weit in die Zukunft verlängern können. Das passierte aber nicht. Statt dessen begann die Linke nun die mit ihnen verbündeten Moderaten ins Visir zu nehmen, die nun aus dem linken Lager flüchteten und von den Konservativen überraschend freundlich aufgenommen wurden.

Die logische Konsequenz liegt auf der Hand.

Schuld an der Entwicklung ist ein Sieger der vergessen hat, dass nach dem Kampf vor dem Kampf ist.