Robert Shea and Robert Anton Wilson beschäftigten sich im Klassiker „Illuminatus!“ mit einer erheblichen Anzahl verrückter Ideen. Eine davon war Magie. Sie brachten ein interessantes Beispiel mit dem Konsum von Marijuana: War ein Konsument noch 1976 einfach nur ein Kiffer, so war er über Nacht zum Kriminellen geworden.
Wie konnte das passieren?
Indem jemand magische Worte gesprochen und dann mittels eines Rituals zu Papier gebracht hat. Die Magie des „Gesetzes“ verwandelte so harmlose Kiffer in Kriminelle und veränderte so die Realität.
In ihrer Interpretation war Magie nichts Übernatürliches sondern einfach nur das Verändern der Realität durch Ritus und Wort.
War etwa vor 1000 Jahren das Wort „Sünder“ oder „Ketzer“ noch ein Wort mit dem man noch ganze Imperien lenken konnte, hat dieses Wort heute keine Macht mehr über die Mehrheit der Menschheit.
Aber warum? Wie gewinnen Worte Macht, wie verlieren sie sie?
Worte gewinnen Macht wenn man sie mit sehr positiven oder sehr negativen Erfahrungen in Verbindung bringen konnte. Das christliche Wort „Sünder“ etwa wurde erfolgreich von den Gläubigen, also der gesellschaftlichen Unterschicht der ersten zwei Jahrhunderte unserer Zeit, mit der Oberschicht in Verbinung gebracht. Diese war dekadent, verschwenderisch, herablassen, unsozial, sündig, kurzum böse.
Und da genau niemand die Oberschicht mochte war dieses Anchoring überaus erfolgreich.
Wollte man also nicht mit „denen da oben“ in einem Satz genannt werden, musst man brav das sagen was die Christen sagten. Die Bewegung war erfolgreich und bald war jeder darauf bedacht nicht zu sündigen. Wollte man etwa die amtierende Oberklasse ersetzen war es günstig das Fußvolk davon zu überzeugen dass man selber einen Kampf gegen Sünde und Ausschweifung führte.
Wird ein mächtiges Wort aber ständig benutzt verliert es seine Macht. Wenn jeder ständig als Sünder bezeichnet wird erkennt man dass das Wort selber gar keine Macht hat, weil auch keiner mehr reagiert. Es verliert damit seine Potenz.
Mit dem Ende des zweiten Weltkrieges kamen neue Worte auf die dann ein halbes Jahrhundert überaus Potent waren. Noch vor 20 Jahren war es möglich auch nur mit der Andeutung jemanden als Nazi bezeichnen zu können das Verhalten von erheblichen Menschenmassen zu lenken.
Heute aber, wo man ein Nazi ist wenn man behauptet dass Frauen keinen Penis haben, hat das Wort keine Bedeutung mehr. Jene die das Wort zu oft benutzt haben flüchten sich in die Logik des Junkies: wenn ein bisschen nicht mehr reicht nutzt man eben mehr.
Das Resultat ist dass 80% der Bevölkerung wenigstens einmal in der Woche als Nazi beschimpft wurden. Das Wort hat heute geringfügig mehr Kraft als „Sünder“ oder „Ketzer“, die Macht fällt aber.
Das hat vorwiegend den negativen Effekt dass der echte Nazi (Also Menschen die ein ethnisch reinen Weltreich basteln wollen, an die Überlegenheit der eigenen Rasse glauben und generell wenig von Demokratie, Individualismus und freier Marktwirtschaft halten) sich ohne gröbere Probleme zu diesen Idealen bekennen können, weil eben das magische Wort dass sie in ihren magischen Kerkern (auch bekannt als „Gruppenzwang“) gehalten hat, eben keine Macht mehr hat.
Das Überstrapazieren der Worte „Nazi“ und „Rassist“ führt im Moment dazu dass diese Strömungen legitimiert werden. Für einen 14 Jährigen ist die Denkweise „Wenn der Kurz oder der Trump schlimmer sind als die Nazis, na dann kann ich ja ohne Probleme Gentile lesen“ rational.
Findet er darin, wie die naiven Massen in den 1920igern und 30igern, vermeintliche Lösungen die anti kapitalistisch, anti konservativ und anti liberal sind und damit „revolutionär“ erscheinen, haben wir in 20 Jahren das gleiche Problem wie vor 100 Jahren.
Eine Pflege der Semantik ist nun entscheidend. Entweder wir schaffen es den Wahnsinnigen die Worte „Nazi“ und „Rassist“ zu entreißen und wieder scharf zu definieren um die 4% die tatsächlich Nazis und Rassisten sind wieder zu unterdrücken, oder wir akzeptieren die fürchterliche Konsequenz, denn aus den 4% können sehr rasch viel mehr werden, wenn sie das Wort "Revolution" beschwören.
Ein Szenario das ich gerne nicht durchleben möchte.