Man kann niemanden beleidigen, der nicht beleidigt sein möchte

Als Person die auch mit Menschen redet die andere Ansichten vertreten kommt man zwangsläufig in die Situation dass Menschen Debatten abbrechen weil sie sich beleidigt fühlen. Diese Personen würden die Debatte wieder aufnehmen wenn man sich entschuldigt und davon absieht sie wieder auf diese Art und Weise zu beleidigen.

Hier liegt ein grundlegendes Problem, denn in dieser Forderung liegt extrem viel Macht und vor allem die Möglichkeit Dinge die man nicht argumentieren kann aus der Debatte zu nehmen, was die Qualität der Debatte kritisch reduziert.

So etwa fordern religiöse Menschen ein dass man Gott quasi nicht auf die Probe stellen darf weil das eine Beleidigung ihres Glaubens ist. Die Frage ob Gott einen Stein erschaffen kann der so schwer ist dass er ihn selber nicht heben kann ist fast eine Garantie für einen Abbruch der Debatte, weil das ihren Gott beleidigt, schließlich kommt er aus der Sache eben nicht allmächtig raus.

Alternativ zur Beleidigung von Ikonen, Institutionen, Götter und der Gleichen kann sich die andere Person aber auch persönlich beleidigt fühlen. Diese Form ist heute häufiger anzutreffen.

Und hier schlage ich wieder ein lustiges kleines Spiel vor:

Schreibt in einem Kommentar „ich will dich beleidigen“ oder „ich will dich nicht beleidigen“ gefolgt von einem verständlichen Satz mit Bezug auf mich. Ich werde im ersten Fall demonstrieren dass es unmöglich ist mich zu beleidigen, wenn ich nicht beleidigt sein möchte und ich werde demonstrieren dass ich aus jedem sinnerfassenden Satz mit einem Bezug auf mich eine Beleidigung zaubern kann.

Das ist nicht schwierig. Im Gegenteil, es ist absurd einfach wenn man es ein paar Mal getan hat.

Wer mich beleidigen möchte kann im Grunde nur eine von Zwei Dingen erreichen: etwas ansprechen das stimmt oder etwas das nicht stimmt. Wenn es nicht stimmt (zb: „Angus ist ein Nashorn“ ) kann ich sagen dass es nicht stimmt und die Sache ist erledigt.

Stimmt es hingegen doch kann es mir entweder wichtig sein, oder es ist mir egal. Ist die Sache aber korrekt („Angus setzt regelmäßig Beistriche falsch“ ) kann das entweder etwas sein das mir klar ist und an dem ich versuche zu arbeiten oder aber es ist etwas das ich nicht wahrhaben möchte.

Und genau hier ist dann die Beleidigung zuhause.

Menschen sind üblicherweise beleidigt wenn das Gegenüber etwas anspricht das stimmt aber das man nicht wahrhaben möchte.

Abgrenzend zur Beleidigung ist die Resignation. Wenn jemand in Endloschleife erklärt dass ich ein Nashorn sei ohne auf die Faktenlage einzugehen ist ein Abbruch kein Zeichen von „Beleidigt sein“ sondern einfach die Akzeptanz dass die Debatte sich nicht von der Stelle bewegt, weil die Gegenseite sich eben nicht bewegen möchte.

Aus meiner Sicht ist das Konzept des „beleidigt seins“ praktisch immer der Beweis dass man einen Nerv getroffen hat. Trifft jemand bei mir so einen Nerv, überdenke ich meine Weltsicht und versuche diesen Konflikt zu lösen. Das bedeutet gelegentlich von Ansichten abzuweichen die man mag. Als mich jemand als „dreckigen Kommunisten“ beschimpfte weil ich mich gegen gewisse Bankpraktiken aussprach musste ich meine Ablehnung des Bankensystems und meine Ansicht zum freien Markt eben wieder in Einklang bringen. Das Resultat war eine widerspruchsfreiere Sicht auf die Welt.

Ja, das ist mühsam, aber besser als sich mit dem Widerspruch herumzuärgern.

Beleidigt sein ist kein Argument und für einen anderen beleidigt sein (Etwa wenn ich beleidigt bin wen ein anderer Autor als Nashorn bezeichnet wird und ich dann für diese Person beleidigt bin und Korrekturen fordere) ist von allen angesprochenen Formen die mit Abstand lächerlichste Form, wenn auch heute eine überaus weit verbreitete.

Ich motiviere jeden so ein Experiment zu machen. Eine Welt in der Menschen erkennen dass sie selber das Problem sind, wenn sie beleidigt sind, wäre eine Welt in der Debatten deutlich mehr Früchte tragen würden, als in unserer Welt, voller beleidigter Leberwürste.

irish times https://www.irishtimes.com/

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