Menschen neigen dazu zu glauben, dass was sie tagtäglich beobachten können die Normalität darstellt. Dem ist aber nicht so.
Das Universum besteht praktisch nur aus Wasserstoff (75%) aber interessanter ist, dass sich 99,9% aller Materie im beobachtbaren Universum im plasmatischen Aggregatszustand befindet. Das deckt sich aber nicht mit unserer Erfahrung. Für uns ist fest, flüssig und gasförmig so normal, dass viele nicht einmal verstehen, dass es einen vierten Aggregatszustand gibt. Unsere Normalität auf der Erde ist die absolute Ausnahme.
Das Gleiche gilt für unsere Kultur. Eine Kultur also in der jeder weitgehend tun kann, was er will, sozial halbwegs mobil ist, sagen, denken und glauben kann, was er möchte, und eine gute Chance hat durchs Leben zu kommen, ohne jemals in den Lauf einer Waffe zu blicken.
Auch das ist nicht normal.
Die Normalität, sowohl geschichtlich als auch geographisch, ist dass man unter dem Stiefel eines Despoten existiert, und unser Gehirn weiß das. Entsprechend versucht unser Gehirn, das darauf vorprogrammiert ist, Despoten, potenzielle Despoten, Machtstrukturen, Opfer, Außenseiter, Abweichler, Ketzer, Eiferer und so weiter zu identifizieren auch in einer Gesellschaft, in der diese Elemente sehr selten sind, zu identifizieren.
Das führt dazu, dass Menschen unser System, das abnormal Gut ist, als abnormal schlecht zu sehen, weil die fürchterlichen Elemente, die gewöhnlich an wenigen Stellen, gut sichtbar und hochkonzentriert, in unserer Gesellschaft winzig aber recht allgegenwertig sind.
Auch wenn die Summe der Unterdrückung viel viel kleiner ist als die Summe in anderen historischen oder geographischen Gesellschaften.
Das Problem unserer Gesellschaft ist, dass unser Gehirn nicht für diese gute Gesellschaft gemacht ist, sondern für den Überlebenskampf in einer fürchterlichen Gesellschaft, die die echte Normalität darstellt.
Menschen deren Gehirne sich nicht damit abfinden können, dass sie sich in einer guten Abnormalität befinden, sondern weitgehend auf steinzeitlichem Autopilot laufen, pochen darauf dass Unterdrückung und Gewalt bei uns ein akutes Problem darstellt und fordern Verbesserung, hin zu einem Ideal das, und hier sitzt die Ironie, üblicherweise wieder dazu führt dass man unter dem Stiefel eines Diktators lebt und keine Chance mehr hat durchs Leben zu gehen ohne in einen Lauf blicken zu müssen.
Kapitalismus, Demokratie, Meritokratie und Frieden sind nicht normal. Sie sind besser als normal. Ein Teil von uns versteht das, ein Teil von uns nicht und ein weiterer Teil sehnt sich nach der Normalität für das unser Gehirn optimiert ist: Gewalt, Krieg, brutale Hierarchie basierend auf noch mehr Gewalt durch Fieslinge.
Denn das ist die Alternative. Paradiesischer als im demokratischen, meritokratischen Kapitalismus wird’s nicht. Die Alternativen sind allesamt, erwiesenermaßen, gewalttätiger, unfairer und fürchterlicher.