In den Medien, am Stammtisch und überall sonst auch werden wir mit Namen bombardiert. Es gilt als schick diese Namen zu kennen.

Wer gewann gerade den Oscar? Wer gewann den Friedensnobelpreis? Wer ist der Schauspieler im aktuellen Blockbuster? Wer ist Verteidigungsminister?

Ist das wichtig?

Eleanor Roosevelt verneinte das mit ihrem Zitat:

Great Minds Discuss Ideas.

Average Minds Discuss Events.

Small Minds Discuss People.

Ihr zufolge sind des die Kleingeister die sich für Namen interessieren, die gebildete Gesellschaft interessiert deren Taten und die Menschen mit dem höchsten Grad an Verständnis interessieren sich für Ideen, Theorien und eine eher abstrakte Herangehensweise.

Mit etwa 16 oder 17 Jahren verfolgte ich die Politik mit Adlersaugen. Ich wusste nicht nur wie jeder Politiker mit vollem Namen hieß, ich wusste sogar wer wann wie und wo eventuell als Nachfolger gehandelt wurde.

Ich wusste also alles über in Wirklichkeit sehr wenig.

Was ich damals etwa nicht wusste war wie sich das Budget zusammenstellte. Um wie vieles höher lag das Budget für Soziales über der Rüstung? Wusste ich nicht. War mir auch egal. Ich wusste wie die Leute hießen und ich kannte ihre Titel.

Ich war gebildet und fühlte mich jedem überlegen der nicht wusste wie der Verteidigungsminister mit zweiten Vornamen hieß.

Nachdem man dann einige Minister kommen und gehen gesehen hat änderte sich der Fokus. Ich überlegte ob der jetzige es anders macht als der davor. Oder der davor.

Oder der davor.

Man konzentriert sich langsam auf die Taten der Protagonisten. Plötzlich sucht man sich die Budgetzahlen heraus und bewertet diese <Taten>.

Hier dämmert dann das Gefühl dass man einer Theatervorstellung zum Opfer gefallen ist. Egal wie der Name des Ministers lautete, irgendwie lief alles so weiter wie bisher. Kleine Änderungen hier und da, natürlich, aber alles in Allem keine tragischen Änderungen.

Jemanden zu finden der eben über diese Taten reden wollte war signifikant schwerer als jemanden zu finden der über Namen reden wollte.

„Dieser Neue macht alles ganz anders, Gelder werden gekürzt, Subventionen gezahlt, er ist ein Verbrecher“ Wirft jemand ein, dass die Zahlen sich aber praktisch nicht geändert haben beeindruckt den Namensnenner nicht. Statt dessen werden weitere Namen ins Feld geführt.

"Jener Journalist hatte jenen Universitätsprofessor gefragt und das wurde in dieser Zeitung abgedruckt, also müsse es stimmen! Bilde dich!".

Je mehr wichtige Namen genannt werden, desto richtiger wäre es, ist hier die These. Ich pochte weiterhin auf Zahlen, mit geringem Erfolg.

Der Sprung zur Idee erfolgte über Philosophie. Ich überlegte wo ich persönlich die Gesellschaft sehen möchte, was von dem was man will Mittel ist und was Ziel. Ist Gleichberechtigung etwa nur ein Mittel oder das Ziel? Ist es möglich dass man manche Ziele nicht auf geradem Weg erreichen kann? Sind kontraintuitive Methoden eventuell auch eine Option? Was wenn ein System das <was man wirklich will> nicht als Ziel hat aber als Beiprodukt in Mengen produziert?

Wer ist die Fokusgruppe? Wenn das Paradies unmöglich ist, ist es wichtiger dass es den Ärmsten so gut wie möglich geht oder dem Durchschnitt? Was ist Gleichheit? Wie kann man Tornados (die es praktisch nur in den USA gibt) umverteilen?

Brauchen wir Führung? Wer braucht sie? Mit was korreliert das? Bildung? Intelligenz? Selbstbewusstsein? Kragengröße?

Beschäftigt man sich mit solchen Fragen, etwa ob man Menschen zu ihrem Glück zwingen soll, darf oder überhaupt kann, werden die Darsteller im Fernsehen immer unbedeutender. Im Gegensatz zur gefühlten Überlegenheit kommt ein Gefühl von Verwirrung auf: wenn man so lange so vieles nicht gesehen hat, wie viel ist dann noch da?

Gleichzeitig hat man es mit Menschen zu tun die mit Wörtern um sich werfen die sie nicht definieren können, wohl aber stolz drauf sind dass sie wissen wie der Minister für Schuhwesen mit Mädchenname geheißen hat und deklarieren sich als überlegen da sie über dieses, völlig nutzlose, Wissen verfügen. Verständlicherweise. Machte ich ja auch bevor ich es besser wusste.

Es folgen dann Aussagen wie etwa „Jeder muss für sich selber wissen was rechts und links ist“, „es gibt nur eine Lösung“, „Es muss ein Umdenken (hin zu meiner Ideologie) passieren“ und so weiter und so fort, jedes Hinterfragen wird mit Verwirrung oder offener Feindseligkeit beantwortet.

Man würde etwa „Weltbilder in Gefahr bringen“ „Ansichten mutwillig zerstören“ „Die etablierte Ordnung in Gefahr bringen“ oder aber Dinge bezweifeln die schlicht jeder weiß.

In anderen Worten: jemanden zu finden der über Ideen plaudern will ist schwieriger als jemanden zu finden der über Taten sprechen will und selbst Menschen zu finden die nur über die Protagonisten plaudern wollen ist nicht ganz so einfach.

Macht einen das zu einem „great Mind“, wie besagte Dame behauptete? Ich denke nicht.

Es ist einfach ganz normale Vertiefung in ein Thema. Jedes Thema kann oberflächlich behandelt werden oder aber im Detail. Ich für meinen Teil habe nicht einmal ein Interesse an Autonamen, geschweige denn der grundlegenden Philosophie die hinter dem Motordesign steckt. Ich bin damit völlig ahnungslos, kann aber so ein Ding dennoch dazu verwenden mich, meine Familie oder Güter von A nach B zu transportieren.

Wesentlich ist aber zu verstehen dass man eben kein Experte für alles ist. In den meisten Dingen sind wir ahnungslos. Das Problem ist, dass ein wenig oberflächliches Wissen oft reicht um Menschen davon zu überzeugen dass sie tatsächlich Experten sind.

Die Namen von Politikern zu wissen ist unbedeutendes, oberflächliches Wissen.

Die Taten von Politikern zu verstehen ist ein eigenes Gebiet. Wir nennen es „Geschichte“. Auch hier zählt nicht wer etwas getan hat sondern wie oft Dinge getan wurden, warum die Täter damit angefangen haben, warum sie nicht aufgehalten wurden und was die Konsequenzen waren.

Ganz oben aber finden wir die Erörterung der Definitionen und Ideen. Erst wenn man diese Definitionen verstanden hat, ergeben viele der Taten in der Geschichte ein ganzheitliches Bild. Erst wenn man versteht dass ein und sie selbe Tat in der Geschichte jedes Mal einen anderen Namen hatte aber immer das gleiche Aussehen, ergeben die Reaktionen des Volkes Sinn, vor allem wenn es sich fragt „was haben wir da nur angerichtet?“

Wie also bringt man Menschen dazu aufzuhören Namen anzubeten und zu verfluchen?

Wie bringt man sie dazu Taten zu bewerten und schließlich darüber nachzudenken was sie wirklich wollen und was sie bereit sind dafür zu opfern?

Nun, vermutlich reicht es darzulegen dass es mehr gibt als Namen und auch mehr als Taten. Der Mensch mit Potential wird seinen Weg finden und der Rest wird weiterhin vergängliche und letztendlich unbedeutende Namen in den Raum werfen und sich dabei für besonders klug halten.

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