In meinem Artikel Das Ende des Superstars gehe ich darauf ein dass der Superstar aus der Wahrnehmung des Mainstreams verschwindet. In den Kommentaren wurde aufgeworfen ob das eventuell nur eine Phase wäre, ob der Superstar nicht doch wieder zurückkommt und genau diese Idee hat einen Nachdenkprozess gestartet; denn was wäre wenn der Kult rund um den Superstar der Pausenfüller, das Intermezzo war?
Nicht nur in der Nachkriegszeit, sondern immer? Das wirft aber die Frage auf was gestern so anders war als heute?
Die Antwort ist wieder in unserer natürlichen, also steinzeitlichen, Psyche zu finden. Wir folgen Anführer und wir folgen ihnen nicht nur, wir lieben sie. Das manifestiert sich am deutlichsten im Stockholmsyndrom. Menschen die dem Stockholmsyndrom anheimfallen kennt jeder aus Geiselnamen. Hierbei beginnen die Geiseln sich mit ihren Geiselnehmern zu solidarisieren, manche beginnen romantische Gefühle zu entwickeln. Und das ist völlig verständlich, zieht man die Urgeschichte als Erklärung heran.
Wenn in der Steinzeit eine Horde junger Männer die alte Führung aus dem Weg geschafft hat und nun selber an der Führung waren, dann war Widerstand eine gefährliche Sache, jene aber die als erste ehrliche Akzeptanz oder gar Zuneigung entwickelten hatten einen Startvorteil in der neuen Ordnung. Das Stockholmsyndrom ist ein evolutionärer Vorteil für die frisch Unterworfenen denn jene mit Stockholmsyndrom verstellten sich nicht: sie liebten die neuen Machthaber wirklich.
Aus der gleichen Logik stammt unser Anhimmeln der Führung, denn jene die die Führung vergöttern haben geradezu zwangsläufig Vorteile. Die (neue) Führung holt sich jene Menschen näher an sich heran die ihnen gegenüber positiv eingestellt sind. Wir haben also einen Instinkt der uns dazu verleitet die Führung zu idealisieren, ja: zu lieben. Diese Neigung ist aber in Menschen unterschiedlich stark ausgeprägt.
Manche haben das gar nicht, andere sehnen sich nach Unterdrückung oder wenigstens Führung. Viele sind bereit dafür viel zu zahlen.
Klarzustellen ist auch dass es sich bei der „Führung“ nicht zwangsläufig um den Häuptling handeln muss, oftmals sah das Volk auch verzückt zur spirituellen Führung auf oder aber zum Geschichtenerzähler. Diese Ersatzführungspersonen werden bedeutender wenn die Führung entweder schwach war oder gerade arbeitslos: gemeint sind Friedenszeiten.
Wenn man das Heer nicht braucht, braucht man den Heerführer nicht anhimmeln.
In Friedenszeiten sucht unser Instinkt also nach den „bedeutenden Führern“ und findet sie an allen Ecken und Enden. Es ist nicht wirklich verwunderlich dass die Nachkriegszeit einen massiven Zugewinn an Kulten, Sekten und spirituellen Bewegungen gesehen hat, jede einzelne mit einem charismatischen Führer dem seine Gefolgschaft aus „Liebe“ sogar in den Tod folgt. Noch verbreiteter aber war der Superstar, denn unserem Steinzeitgehirn ist eben nicht immer klar dass Arnold Schwarzenegger im echten Leben nicht so ein begnadeter Krieger und Anführer ist wie wir gerade im Kino gesehen haben.
Ein Urinstinkt lässt uns das aber eventuell glauben. Das Gleiche gilt für den weiblichen Superstar die das Alphaweibchen imitiert, also jene Person die dem Anführer dazu bringt das zu tun was sie will. Die Frau des Anführers war oftmals ein wertvollerer Verbündeter als der Anführer selber und ist daher für den weiblichen Teil der Bevölkerung die Person der man sich anbiedern sollte und für den männlichen Teil ist sie begehrenswert gerade weil sie unerreichbar ist.
In Zeiten des Konflikts aber werden diese Ersatzfiguren wieder bedeutungslos. Wozu jemanden anhimmeln der so tut als wäre er ein Kriegsherr, wenn es wieder echte Kriegsherren gibt? Die Politik der 2010er ist signifikant kämpferischer als die Politik der 1980iger und 90iger. Kaum jemand kann sich erinnern wer 1996 gegen Bill Clinton zur Wahl stand. Weil es egal war. H. Clinton vs Trump hingegen wird uns noch mindestens 2 Generationen in Erinnerung bleiben, denn diese beiden Figuren hatten etwas das Dole und Bill Clinton nicht hatten: fanatische Gefolgschaft. Beide sind für ihre Anhänger mehr als Politiker. Sie sind Symbole.
Wird der Superstar wieder kommen? Ich hoffe es, denn wenn wir zum Künstler aufschauen dann ist die Politik unbedeutend. Das ist sie aber im Moment nicht. Der Superstar unserer Zeit sind die Machthaber und ihre Herausforderer.
Genauso wie in der Zwischenkriegszeit.
Und diese Erkenntnis suggeriert eine unbequeme Möglichkeit: ist es möglich das man unsere Zeit in der Zukunft als die Zeit vor einem großen Konflikt bezeichnen könnte?
Was wenn wir nicht mehr in der Nachkriegszeit leben sondern in einer Vorkriegszeit und unser Instinkt wieder tut wozu er optimiert wurde: eine Seite, inklusive Anführer, wählen.
Mir jedenfalls wird bei dieser Idee unwohl im Bauch.
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