(Re-)Normalisierung: die Gesellschaft im ewigen Wandel

Normalisierung ist, vor allem im angelsächsischen Bereich, heute ein bedeutendes politisches Schlagwort. Es wird sowohl von der Rechten wie auch von der Linken als positiver und negativer Begriff gleichzeitig verwendet, was den Begriff besonders interessant macht.

Grundsätzlich operieren beide Seiten von der Idee aus, dass Dinge, die nicht normal sein sollten, als normal betrachtet werden und umgekehrt Dinge die Normal sein sollten als abnormal angesehen werden. Ich denke die Beispiele erübrigen sich.

Die Gründe für "warum etwas als normal gesehen werden soll" sind aber grundverschieden.

Betrachten wir ein möglichst plakatives Beispiel:

Furzen ist natürlich und irgendwie normal und abnormal gleichzeitig.

Jeder tut es, jeder weiß, dass jeder es tut, aber wir tun es üblicherweise wo es keinen stört und tun so als würden wir es nicht tun, weil wir als Gesellschaft normalisiert haben „dass man das nicht in der Öffentlichkeit tut“.

Nicht beim Meeting zu furzen ist „normal“.

Beim Meeting zu furzen ist „nicht normal“.

Am Klo zu furzen ist hingegen absolut „normal“.

Drüber zu reden ist nicht "nicht normal"

Gesellschaftliche Regeln stehen also oft im Widerspruch zur puren Normalität der Natur, sprich zu dem, was unsere Vorfahren vor einer Million Jahren getan haben. Denn die furzten beim Meeting und dachten sich nicht viel dabei. Je besser die durchschnittliche Belüftung der durchschnittlichen Behausung einer Kultur ist, desto egaler dürfte es solchen Kulturen sein, ob jemand furzt oder nicht.

Im Wald ist furzen was andres als im U-Boot.

Was für eine (Sub-)Kultur normal ist und was nicht ist also von der Situation der betroffenen (Sub-)Kultur abhängig. Sprich was der Kultur hilft wird, rein evolutionär, normalisiert, weil jene die das tun als nützlich gesehen werden und deswegen Vorteile in der Kultur schöpfen, was jeder erreichen möchte und daher diese immitiert.

Was eine Kultur traditionell als normal ansieht ist oder war einmal nützlich.

Kulturen die genügend Überschüsse erwirtschaften können es sich aber leisten auch Dinge als „normal“ anzusehen die keinem nützen. Diese Ansichten sind im Grunde eine Form von Luxus, wie etwa Gott ein richtig großes Haus zu bauen.

Sprich wir haben es Grundsätzlich mit drei Formen der Normalität zu tun:

Natürliche/animalische Normalität

kulturelle Normalität und

Luxusnormalität

Die natürliche/animalische Normalität entspricht dem Furz.

Die kulturelle Normalität ist am Klo und nicht im Meeting zu furzen.

Die Luxusnormalität ist so zu behaupten, dass man nie furzt.

Und hier finden wir den Weg zurück in unsere Realität. Sowohl die Linke als auch die Rechte versuchen kulturelle Normen zu etablieren und kulturelle Normen der anderen zu untergraben. Der Unterschied ist, dass die Linke behauptet, dass die Normen der Rechten primitive, animalische Normalität sei die es als entwickelter Mensch zu überwinden gilt, wohingegen die Rechte meint, dass die Normen der Linken Luxusnormalitäten wären.

Es gilt dabei zu verstehen, dass kulturelle Normen immer irgendeinen Nutzen stiften mussten und es gilt zu verstehen, dass eine Kultur mit hohen Überschüssen diesen Nutzen nicht mehr braucht.

Wir können es uns leisten recht nutzlose Dinge zu tun. In einem Raum mit perfekter Belüftung kann man auch im Meeting furzen und keinem fällt es auf.

Unser Problem ist, dass uns die Überschüsse ausgehen. Die fetten Zeiten sind vorbei, die Lüftung versagt und plötzlich rümpfen die Menschen die Nase.

Das Resultat ist ein Konflikt zwischen jenen die sich einfach daran gewöhnt haben, dass man frei herumfurzen kann und dieses Normal jetzt kulturell zementieren möchten und jenen die sensiblere Nasen haben und wieder zu älteren Normen zurück wollen die zu besserer Raumqualität geführt haben, eine Renormalisierung dessen was früher eben normal war, was für die Öffentlichfurzer als ein Rückschritt angesehen wird, als eine Gefährdung der neuen Normalität.

Was Normal ist und was nicht, was normal sein sollte und was nicht wird immer Gegenstand von Streit sein und der eigene Standpunkt ist oftmals eben schlicht davon abhängig wie sensibel die eigene Nase ist.

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