Jeder hat ein Bild von sich selbst und Menschen die nicht depressiv sind haben üblicherweise ein recht gutes Bild von sich. Das ist gut, das ist gesund aber es ist oftmals nicht wirklich deckungsgleich mit der Wirklichkeit.
Psychisch gesunde Menschen glauben, dass sie klüger, schöner und wichtiger sind als sie wirklich sind. Die Wahrheit aber ist, dass jeder von uns recht durchschnittlich ist. In der Hälfte unserer Eigenschaften sind wir unterdurchschnittlich und in der anderen überdurchschnittlich.
Das Problem an unserer Durchschnittlichkeit ist, dass manche unserer Eigenschaften höher geschätzt und oder nützlicher als andere sind. Wenn man Weltklasse darin ist unterschiedliche Wanzen am Geruch zu erkennen wird einem das weniger Ansehen und Geld verschaffen als wenn man "nur" der beste Kinderchirurg des Landes ist.
Aus unseren Fähigkeiten entsteht ein wahrgenommener Wert: der Wanzenschnüffler, selbst wenn er in dem was er tut besser ist als der Chirurg, schafft in den Köpfen der Bevölkerung eben weniger Wert als der Chirurg.
Das kann man gut oder schlecht finden.
Jene die es gut finden denken, dass genau so „nützliche“ Eigenschaften gefördert werden sollten und das auch das natürlichste in der Welt wäre. Wenn die Gesellschaft etwa Kinderchirurgen höher schätzt als Wanzenschnüffler wird jemand der in diesen beiden Bereichen gleich gut wäre, eher die nützlichere verfolgen, was sich in einen höheren gesellschaftlichen Wert übersetzt, was gut für uns alle wäre.
Die Gegenthese ist, dass alle Menschen gleich viel Wert haben sollen und jegliche Hierarchie schlecht wäre, insbesondere eine die sich aus Leistung ergibt.
Es ist kaum verwunderlich, dass Menschen mit nützlichen Skillsets, also Menschen die die Welt wirklich mit ihren Handlungen lebenswerter, bequemer und schöner machen kein echtes Problem mit dem ersten Ansatz haben. Ihr Selbstbild ( „ich bin gut“ ) ist ja in Übereinstimmung mit der Welt ( „der Typ ist nützlich für mich/uns/die Welt“ ). Und das kommuniziert die Welt vorwiegend in Ansehen, Lob, Geld und Einfluss.
Umgekehrt ist jemand der zwar von seinem eigenen Wert überzeugt ist aber der von der Welt belächelt wird in der unbequemen Situation, dass er eine Meritokratie nicht akzeptieren kann, weil er dann ja akzeptieren müsste, dass er weniger Wert hat als ein anderer.
Besonders tragisch trifft das einen Teil der Intelligenzija.
Unter uns sind Menschen die zweifelsohne hochintelligent sind und Dinge gemeistert haben die nur ein Prozent der Bevölkerung verstehen können. Diese Leute sind also sicher keine Idioten. Das Problem ist, dass es für das was sie tun keine relevante Anwendung gibt, sprich sie erzeugen keine Werte die irgendjemand braucht (ie: es gibt dafür keine Nachfrage). In einem System in dem Transaktionen freiwillig passieren (vulgo: Kapitalismus) bleiben diese Genies also auf ihrem Produkt sitzen und verarmen. Das fühlt sich nicht gut an. Für sie.
Die Situation stellt sich dann in etwa so dar: Jemand mit einer aufwändigen Ausbildung und erheblicher Intelligenz sieht zu einem Durchschnittlichen hinüber und fragt sich wie es sein kann, dass der Arbeiter da drüben so viel mehr Geld verdient, wo er doch sicher nicht klüger ist als man selber. „Wie kann es sein, dass ich, der zum klügsten Zehntel gehört ärmer bin als der gemeine Arbeiter?“ Geht es ihm wohl durch den Kopf. „Irgendwas läuft in unserer Welt sehr sehr falsch“ ist eine absolut logische Schlussfolgerung.
Daher lehnen diese Leute den Kapitalismus ab, denn der Kapitalismus führt dazu dass der Wasserinstallateur mehr verdient als jemand mit einem Doktor in mittelalterlicher französischer Literatur. Der Installateur findet das gut. Der besagte Geisteswissenschaftler nicht.
Menschen deren Selbstbild nicht mit der Realität übereinstimmen, können also ein meritokratisches System, ein System also bei dem der gestiftete Wert mit dem gesellschaftlichen Wert ident ist (vulgo: Kapitalismus) nicht akzeptieren, weil das eine direkte Fahrkarte in die Depression für sie bedeutet.
Die eigene seelische Gesundheit hängt also an der Überzeugung, dass etwas „falsch mit der Welt sei“.
Kapitalismuskritik ist also vermutlich am Ende des Tages kein wirklich rationelles Problem sondern vorwiegend ein psychologisches das wir nur überwinden wenn wir aufhören Menschen nutzlose Ausbildungen zu finanzieren. Das wäre besser für die Gesellschaft und auch besser für die vielen Irrgeleiteten.