Ist Boxen Körperverletzung? Vom juristischen Standpunkt aus betrachtet: Nein. Boxer wandern nicht nach dem Weltmeisterturnier in Gefängniszellen. Nicht immer jedenfalls. Aus Sicht des Staates ist Boxen keine Körperverletzung. Solange alle Beteiligten dem Boxen zustimmen. Boxt der Boxer aber auf offener Straße jemanden, sieht die Sache anders aus und die Jungs in Uniform kommen gelaufen.
Der Unterschied zwischen einem Boxturnier und einem Boxer der an Passanten seinen rechten Haken testet ist Einverständnis. Im Ring stimmen beide dem Geprügel zu und daher kümmert sich der Staat nicht darum, obwohl hier allerlei Dinge passieren die sonst Alarmglocken erschallen lassen: Verherrlichung von Gewalt, Körperverletzung, Langzeitschäden und so weiter und so fort.
Zwei Hochhäuser weiter saugen ein Haufen Yuppies Koks durch die Nase. Das ist aber ein Verbrechen. Aber warum? Passiert hier nicht weniger Schaden als im Boxring? Warum wird das eine bekämpft und das andere nicht? Und ist der Grund dafür in der Moral zu finden?
Moral und Gesetz sind zwei unterschiedliche Dinge. Dinge die nicht verboten sein sollten können verboten sein und Dinge die verboten sein sollten können völlig legal sein.
Und das ist die Krux an der Geschichte: Viele Menschen leiten aus dem Gesetz die Moral ab, genau wie deren Vorfahren oftmals die Moral aus alten „heiligen Büchern“ ableiteten. Um das zu tun muss man eine gewisse Toleranz für Widersprüche mitbringen aber das ist erstaunlich häufig kein Problem. Diese besagten Menschen können dem Satz oben nicht zustimmen. Für sie ist alles was verboten ist unmoralisch und böse und alles das erlaubt ist, weil es erlaubt ist, muss genau deswegen in Ordnung sein.
Ein kurzer Blick auf unsere Geschichte sollte uns aber lehren, dass dem nicht so ist. Die Idee, dass wir heute <fertig entwickelt> sind und die ungerechten Gesetze längst Geschichte seien ist eine Einstellung die man in jeder Zeit und allerorts findet. Ich halte es dafür für höchstgradig vermessen anzunehmen, dass wir jetzt recht damit haben und die Oma damit falsch lag. Ich denke aus der Sicht unserer Enkelgeneration werden einige unsere Gesetze so archaisch wirken wie jene die unsere Vorfahren als gut und moralisch anpriesen.
Moral ist etwas das von der Juristerei unabhängig sein muss.
Boxen ist Körperverletzung, aber eine die wir dulden sollten, wenn sie im Einvernehmen passiert. Die Folgekosten sollten aber nicht die Allgemeinheit decken müssen. Das wäre unmoralisch und falsch, auch wenn das genau das ist das wir im Moment tun.
Ein Ding kann faktisch <das eine> und juristisch <etwas anderes> sein, genauso wie Steuern juristisch ok sind aber faktisch den Tatbestand des Raubs erfüllen. Es ist abzuwarten ob zukünftige Generationen es in Ordnung finden werden dass man harmlose Kiffer in den Kerker geworfen hat weil William Randolph Hearst vor 100 Jahren in einer sehr erfolgreichen Kampagne die Kiffer dämonisierte und die Politik brav tat was die, von der Presse geführte, Öffentlichkeit wollte.
Von einem Realsteuersatz von über 70% ganz zu schweigen.
Eine gesetzesunabhängige Moral ist notwendig um das Gesetz wirklich zu verbessern, echte Prinzipien sind unbedingt notwendig. Wenn man sein Weltbild und seine Moral vom Status Quo ableitet, wenn alles das erlaubt gut ist und alles das verboten ist schlecht ist, tritt man ewig auf der Stelle und diese Stelle ist sehr wahrscheinlich nicht die moralischste oder gar beste auf der wir stehen könnten.
Es liegt in der Natur der Sache dass wir uns, aufgrund unterschiedlicher Moral nicht einigen können was gut ist und was nicht, aber diese Zankerei ist wenigstens besser als Stillstand.