Wir alle haben gewisse Vorstellungen die viele Menschen rund um uns teilen. Wir haben aber auch Ansichten mit denen wir alleine stehen. Jeder hat also eine eigene Wahrheit und eine geteilte Wahrheit. Wir alle leben in der gleichen Realität aber haben unterschiedliche Interpretationen dieser Realität. Für den Einen ist Gott ein Faktum, für den nächsten ein Märchen und für den Dritten ein völlig unerhebliches Thema.

In der Vergangenheit waren die Überschneidungen der Wahrheiten größer, schlicht weil es nicht sonderlich viele alternative Ansichten gab. Was der Priester und der König sagten war wahr, jeder sprach die gleiche Sprache, jeder glaubte an den gleichen Gott und wer es nicht tat, der tat so als ob.

Natürlich gab es Differenzen aber die Überschneidung der Wahrheiten war recht groß schlicht weil die Alternativen niemand in Betracht zog. Man „wusste“ eben wie die Welt war.

Das Schreiben machte die Sache komplizierter. Plötzlich konnte man in Alexandria Dinge lesen die in Babylon geschrieben wurden und Kontroversen wurden prominenter. Der Buchdruck vergrößerte das Problem das dann mit dem Internet völlig aus dem Ruder lief. Gab es in prähistorischer Zeit nur die Götter seiner Vorfahren musste man sich in der Antike plötzlich auch mit den Göttern seiner Nachbarn herumschlagen, im Mittelalter auch mit den Göttern der Nachbarn seiner Nachbarn und jetzt mit allen Göttern der ganzen Welt.

Da Menschen sich mit dem Ganzen nicht auseinandersetzten können (oder wollen) machen wir was wir eben können: wir picken uns den Teil heraus der uns gefällt und glauben (nur) daran. Vor 50 Jahren war es in Mitteleuropa etwa kaum möglich ein überzeugter Kapitalist zu sein, die Kultur, die Medien und so weiter arbeiteten aktiv dagegen und proagierten eifrig die soziale Marktwirtschaft, moderne Standardwerke waren kaum verfügbar und wenn dann nicht in deutscher Sprache.

Die heutige Welt ist anders. Die durchschnittliche Fähigkeit English zu sinnerfassend zu verstehen ermächtigt praktisch jeden mehr oder weniger jedes Buch auf der Welt zu lesen und diese Fähigkeit, kombiniert mit der erstaunlichen Einfachheit an Lesestoff heranzukommen, ermöglicht es nun dem Mitteleuropäer sich mit Thematiken zu beschäftigen die seinen Vorfahren schlicht nicht möglich waren.

Als das Internet aufkam dachte man dass dieser Prozess zu einem höheren Grad an Verständnis zwischen den Völkern führen würde. Faktisch passierte aber genau das Gegenteil. Früher saßen die Kommunisten in Russland und die Kapitalisten in Amerika. Jetzt sitzen alle überall und streiten über die „korrekte Weltsicht“.

Früher konnte man damit rechnen dass man die gleichen Ansichten haben werde die auch die Nachbarn haben. Heute ist das nicht mehr der Fall. Vereinfacht gesagt: die Deutschen waren früher deutsch, die Russen waren russisch und die Schweizer waren schweizerisch. Heute ist das nicht mehr der Fall. Kulturelle Identität ist faktisch verschwunden und durch eine Art von Subkultureller Identität gewichen. Wir sind nicht mehr Schweden oder Spanier, wir sind Sozialisten, Gamer, Kapitalisten, Anarchisten, Youtuber und so weiter und sofort.

Die kulturelle Identität ist nicht mehr eine Frage der Geographie sondern der Weltsicht. Ein Anhänger der Antifa in den USA und ein Anhänger der Antifa in Deutschland haben mehr miteinander gemeinsam als beide mit ihren jeweiligen Mitbürgern.

Das ist nicht unbedingt schlecht.

Das Problem ist dass unsere Politik aber noch immer stark geographisch orientiert ist. Der Österreicher wählt in Österreich.

Ist das Alternativlos? Vermutlich nicht, aber es ist das System das wir gewohnt sind.

Aber könnte man den Prozess umgekehrt? Können wir den Geist wieder in die Flasche stopfen und zurück zur Einheitsmeinung finden?

Ich denke nicht. Der Zug ist längst abgefahren.

Die im Moment zu beobachtende Zersplitterung ist nicht per se schlecht sondern zeigt uns einfach dass auf der ganzen Welt Menschen leben die gerne eigenbestimmt leben und neben ihnen Menschen leben die lieber fremdbestimmt sein möchten, Menschen die Gott brauchen und solche die ihn nicht brauchen.

Wie wir damit umgehen ist eine der großen Herausforderungen der nächsten Generationen aber eines sollte klar sein: Die Welt hat sich geändert und wenn sich unsere Systeme nicht anpassen, wird es krachen.

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Matt Elger

Matt Elger bewertete diesen Eintrag 08.05.2021 15:40:42

Spinnchen

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