Gestern sagte ein Freund zu mir dass der Sozialstaat definitiv eine Verbesserung für das Leben der Menschen darstellte, denn früher unter dem Kaiser war alles schlechter. Ich erwiderte dass es schwierig sei die Epochen zu vergleichen, wie viel hat etwa die Technologie geholfen die Situation zu verbessern.
All diese Faktoren müssten man rausrechnen oder aber man verwirft den Vergleich und sucht nach Orten und Zeiten in denen in einer weitgehend identen geographischen Region eine weitgehend homogene Kultur gleichzeitig „eher Kapitalismus“ und „eher Sozialismus“ (Reinformen gibt es ja nicht) ausprobiert haben. Und diese Fälle existieren:
etwa: Deutschland und Korea.
In beiden Fällen wurde der Lebensstandard des Medienbürgers im eher Kapitalismus besser wohingegen er im eher Sozialismus bestenfalls stagniert. In nur zwei Kategorien gewinnt der Sozialismus: im Bereich der relativen Lebensqualität der Oberschicht und der relativen Lebensqualität der absoluten Unterschicht. Die breiten Masse der 98% aber profitiert vom Sozialismus nicht. (ie: die Kosten für den Einzelnen übersteigen den Nutzen)
In wie weit die Ärmsten der Armen wirklich profitieren sei auch in Zweifel gestellt. Zweifelsfrei leben die Apparatschiks in Luxus, vergleichen mit dem arbeitenden Genossen. Im Vergleich mit dem freien Bürger jenseits der Grenze ist dieser Luxus zwar sehr relativ, aber darum geht’s nicht.
Nun werfen manche Leute ein dass der unreine „eher Sozialismus“ eben nicht so gut ist wie reiner Sozialismus. Ich halte das für unwahrscheinlich. Wie soll ein System das nicht funktioniert plötzlich funktionieren wenn man mehr von den Dingen macht die nicht funktionieren?
Besonders billig ist dann das Argument dass wahrer Sozialismus ohnehin erst erreicht ist wenn es nichts anders mehr auf der Welt gibt. Nach der Logik dass auch ein Einbeiniger Weltrekorde läuft wenn er der Einzige ist der laufen darf, stimmt das sogar. Ist aber kein gutes Argument.
Niemals in der Geschichte übertrumpfte der Sozialismus den Kapitalismus im Bereich „Lebensqualität der breiten Masse“. All seine Erfolge, von Sputnik bis Zar Bombe, liegen im quasi militärischen Bereich.
Die Tragödie ist dass das nicht so sein sollte. In der Realität passiert aber eben sehr oft etwas das nicht so geplant war. Jeder der schon einmal einen Plan umgesetzt hat wird das kennen: oft kommt es anders als man denkt.
Der Sozialismus würde funktionieren wenn jeder so viel tut wie er kann und nur konsumiert was er braucht. Aber wäre der Mensch fähig so zu leben, würden wir so leben. Und auch wenn nicht alle Menschen faul und/oder gierig sind, so reicht es wenn einige sich nicht an die Prämisse halten, um andere davon zu überzeugen dass es schlicht klüger ist faul und gierig zu agieren.
Jeder Versuch die Menschen entsprechend umzuprogrammieren ist fehlgeschlagen. Egal wie oft man alle faulen und gierigen Menschen ins Gulag steckt oder erschießt, ständig kommen neue nach, ständig werden fleißige, bescheidene Menschen plötzlich gierig und faul.
Der Kapitalismus hingegen ist erfolgreich weil er die Gier vor seinen Karren spannt. Im freien Markt kann die Gier praktisch nur befriedigt werden indem man etwas Nützliches (ie: etwas das nachgefragt wird) tut und dieses Ding massenhaft produziert. Die Gier ist der Motor des Kapitalismus und das macht ihn moralisch deutlich problematisch als den Sozialismus der auf Liebe und Solidarität laufen sollte.
Blöderweise dreht sich der sozialistische Motor nicht, der kapitalistische hingegen stinkt und kracht und ist unansehnlich, aber er läuft und produziert alles was wir brauchen und noch etwas mehr.
Natürlich ist das Heute besser als der Zustand von vor 100 Jahren. Niemand wird das bezweifeln. Aber das liegt eben nicht an der Umverteilung. Die interessnte Frage muss also lauten um wie viel besser es den 98% gehen könnte, wenn wir uns von den Mechanismen verabschieden die uns nachweislich zurückhalten und nur einer winzigen Minderheit nutzen?