Kürzlich sagte Erik Weinstein, dass die Welt aus Verschwörungen besteht und man, wenn man nie zu einer eingeladen wurde, es einfach nicht sonderlich weit gebracht hat.

Sobald sich zwei Geschäftsleute zusammensetzen, knistert die Verschwörung. Verschwörungen sind dabei meistens recht trivial, man macht sich Preise aus, steckt Einflusszonen ab und sorgt dafür, dass man sich nicht in die Quere kommt. Das Brettspiel „Imperial“ simuliert das auf erstaunliche Art und Weise. Für den nicht initiierten Zuseher wirkt es wie ein Kriegsspiel, in dem sich verfeindete Parteien bekriegen, tatsächlich geht es darum sich möglichst gut mit seinen Mitspielern abzusprechen und wer am geschicktesten seine Versprechen hält und bricht gewinnt.

Jeder der bei hochkarätigen Geschäftsessen dabei war wird wissen, warum das auch in der realen Welt einen praktischen Nutzen hat.

Verschwörungen sind einfach Abmachungen innerhalb einer Gruppe, um irgendein Ziel zu erreichen, ohne dass Außenstehende verstehen, was da grad passiert.

Auf unterschiedlichen Ebenen tun Verschwörungen unterschiedliche Dinge und haben unterschiedliche Ziele: der Ehebruch ist eine Verschwörung zwischen einem untreuen Ehepartner und einem Liebhaber gegen den anderen Ehepartner ist genauso eine Verschwörung wie die geplante Aufteilung Polens im Hitler-Stalin-Pakt von 1939, nur eben auf völlig unterschiedlichen Machtebenen: das Strickmuster ist recht ähnlich nur die Größenordnung ist völlig anders.

Verschwörungen haben immer Schichten.

Der Pakt zwischen Nazideutschland und der Sowjetunion hatte einfach zu durchschauende Schichten, schwieriger zu sehende Elemente und Elemente, die für Außenstehende unsichtbar waren.

Der Nichtangriffspakt war offensichtlich, die Zusammenarbeit im Bezug auf Waffenentwicklung war fast schon ein offenes Geheimnis aber ein gemeinsamer Angriff auf Polen war eine recht gut versteckte Verschwörung, die die Welt durchaus schockiert, als sie plötzlich umgesetzt wurde.

Menschen sind unterschiedlich fähig durch die Schichten von Verschwörungen zu blicken. Ein witziges Beispiel ist der Film Victor/Victoria aus dem Jahr 1982. In dem Film nimmt die arbeitslose Sängerin Victoria die Rolle des männlichen Frauendarstellers Victor Grazinski an der seinerseits die Kunstperson Sally, überaus überzeugend, spielt. Eine Person innerhalb dieses Universums kann ein und dieselbe Person auf der Bühne als drei Personen sehen:

Entweder er sieht naiv die Figur der Sally, also die offensichtliche Frau auf der Bühne oder aber er sieht den Darsteller darunter Victor, also einen Mann, der eine Frau spielt. So jemand sieht die Täuschung. In Wahrheit geht die Täuschung aber noch eine Ebene tiefer und hier beginnt die Sache skurril zu werden, denn jene die sehen, dass hier eine Frau einen Mann spielt, der eine Frau spielt erscheint mit seiner Schlussfolgerung „Auf der Bühne steht eine Frau (Victoria)“ genauso naiv wie derjenige der sich täuschen hat lassen und Sally sieht.

Eine gute Verschwörung ist ähnlich strukturiert, man baut eine Fassade (die Sally Ebene) die die Naiven täuscht aber lässt Löcher in der Fassade und baut hinter dieser Fassade eine zweite Fassade (die Victor Ebene) die die Klügeren und Aufmerksameren täuschen soll. Diese Klugen Leute sehen durch die offensichtliche Täuschung und glauben „die Wahrheit“ zu kennen und graben nicht weiter. "man hat sich ja nicht täuschen lassen"

Sie <wissen> dass Sally von Victor gespielt wird. Sie wissen, dass der Darsteller auf der Bühne <in Wirklichkeit> ein Mann ist. Der Twist an der Sache ist aber, dass die Verschwörung noch eine Ebene tiefer geht (die Victoria Ebene) die im Grunde nur für Eingeweihte sichtbar ist.

Um auch hier wieder ein Beispiel aus der wahren Welt zu greifen: Es gab immer Armeen die es nicht gab. Die amerikanische „23rd Headquarters Special Troops“ etwa machte nichts anderes als den Feind glauben zu machen, dass irgendwo Truppen waren, wo keine waren.

Man lies Spione geheime Papier lesen in denen Truppenbewegungen abgebildet wurden, die Spione informierten den Feind und das 23rd machte dort wo die Truppen angeblich waren Staub und Krach, um Beobachter davon zu überzeugen, dass dort wirklich Panzer herumrollten.

Verschwörungen sind insofern knifflig, als dass nicht sonderlich viel nötig ist um eine kluge, verschachtelte Verschwörung zu bauen, man baut einfach über die Wahrheit Schicht für Schicht Lügen auf. Die Schwierigkeit ist herauszufinden, wo man auf die Wahrheit gestoßen ist.

Um wieder zu Victor/Victoria zurückzukommen gilt es zu verstehen, dass es nur eine korrekte Lösung gibt aber unendlich viele falsche, wenn es darum geht die Identität der Person herauszufinden.

Nur die Lösung: „<Victoria> spielt Victor der Sally spielt“ ist korrekt, wohingegen die Lösungen:

„Die Person ist <Sally>“ und

„die Person ist <Victor> der Sally spielt“

falsch sind. Aber auch wenn man am Ziel vorbeigräbt und denkt, dass: „<Hans> Victoria spielt die Victor spielt der Sally spielt“ und jeder weitere Schritt (die Absurditätsebenen) ist aber eben auch falsch.

Und das ist die Schwierigkeit an Verschwörungstheorien: je tiefer man gräbt, desto absurder wird die Sache und es ist völlig unklar ab wann man durch die Lügen an der Wahrheit in die Absurdität gräbt.

Fakt ist, dass es Verschwörungen gibt und jeder von uns, der irgendetwas in seinem Leben erreicht hat, ist Teil irgendeiner Verschwörung. Das ist unbestreitbar und wird nur von Menschen bezweifelt, die nie zu einer Verschwörung eingeladen wurden.

Und es darf angenommen werden, dass wirklich wichtige Verschwörungen von bedeutenden und mächtigen Menschen zu mindestens eine Victor/Victoria Struktur aufweisen, sprich eine halbwegs überzeugende Lüge, mit einer auffindbaren Scheinverschwörung dahinter die die Wahrheit nahezu perfekt versteckt.

Verschwörungen haben also Schichten, genau wie Zwiebel, Kuchen und Oger. Das Problem ist, dass nur eine dieser Schichten wahr ist und die Chance auf die Wahrheit zu stoßen absurd klein ist, weil es viel einfacher ist eine Verschwörung zu konstruieren als eine zu durchschauen.

Aus alle dem drängt sich die Schlussfolgerung auf, dass das meiste, was man zum Beispiel in den Medien so hört die Sally Ebene ist: eine Lüge die ausreichend viele täuscht, mit Victor Ebenen darunter die die Skeptiker und Querdenker befriedigt und die Absurdität, die dann hinter der Wahrheit ist, muss man nicht mehr konstruieren, die erfinden die Verschwörungstheoretiker dann selbst.

Was kann man also daraus lernen? Vermutlich nicht viel mehr, als dass die Person auf der Bühne nicht Sally ist und vermutlich auch nicht Victor, selbst wenn nahezu alle im Publikum jede Lösung, abgesehen von diesen zwei, als verrückt einstufen, selbst wenn es die Wahrheit ist.

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