Vom Primitiven über das Komplizierte zum Einfachen

Entwicklung folgt einer einfachen Prämisse: Perfekt ist es nicht wenn man nichts mehr hinzufügen kann sondern wenn es funktioniert obwohl man nichts mehr weglassen könnte.

Das führt zu einer simplen Beobachtung: Jedes Ding beginnt in einem Zustand der Primitivität, also einer Situation in der das Ding gelegentlich das tut was es tun soll, geht über in Phase der Kompliziertheit, wo es tut was es tun soll aber der Weg dahin wird unüberschaubar und das besagte Ding ist mit Bestandteilen überfüllt ist die nicht wirklich nötig sind. Die Entwicklung endet in einem Ding das genau das tut was es tun soll, die Funktionsweise ist vereinfacht und elegant.

Ein wunderbares Beispiel ist das Maschinengewehr. Der Grund warum die Dinger „Maschinengewehr“ heißen wird rasch ersichtlich wenn man in ein frühes Gerät hineinblickt und man das Gefühl hat in ein Uhrwerk zu schauen. Knappe 50 Jahre später baute man Maschinengewehre mit einem Bruchteil der beweglichen Teile und in den Folgejahrzehnten änderte sich am Design nicht mehr viel, einfach weil es kein wesentliches Verbesserungspotential mehr gab. Das Maschinengewehr ist also seit über einem halben Jahrhundert fertigentwickelt, seither schleifen wir an Details herum. Für den Moment jedenfalls.

Würde man aber einem der frühen Ingenieure, die Uhrwerkmaschinengewehre bauten, eines unserer modernen Gewehre vorlegen ist nicht völlig klar ob sie entzückt die Hände über den Kopf schlagen würden und sich vor unserer Genialität verneigen würden. All die Zahnräder bauten sie ja in ihre eigenen Konstruktionen nicht ein weil sie zu viele davon herumliegen hatten sondern weil sie dachten dass diese Elemente absolut nötig seien um das Gerät überhaupt zum Laufen zu bringen.

Jemand der in der Denkweise des Komplizierten steckt weiß nicht dass er in dieser Phase ist. Für ihn ist das was er da vor sich liegen hat schon so elegant und effizient wie es eben gerade geht. Legt man ihm also ein Produkt vor das höher entwickelt ist, aber verschweigt diese Tatsache, wird der alte Experte sofort beginnen die zahlreichen Dinge aufzuzählen die in dieser Konstruktion offensichtlich fehlen und wird postulieren dass dieses Gerät eventuell fähig sein könne ein paar Mal zu feuern aber noch viel Entwicklungsarbeit nötig sei um dieses Ding auf den Stand seines Gerätes zu heben.

Was aber nicht stimmt.

Selbst Demonstrationen können sich als unzureichend herausstellen. Wenn Menschen glauben dass ein gewisses Element einfach „Teil des Endprodukts“ sein muss, sind sie üblicherweise schwer davon zu überzeugen dass dieses Ding in Wirklichkeit nur nutzloser Ballast ist.

Eine ähnliche Situation finden wir in der Philosophie rund um die Wirtschaftssysteme. Wir begannen unseren Weg in die Wirtschaft mit primitivem Tauschhandel, bewegten uns über einfaches Geld, Gilden und Regulationen dann am Ende zum freien Markt hin. Im Mittelalter etwa wurde angenommen dass es keine Bauern mehr gäbe wenn man Leuten die freie Berufswahl zugestehen würde. Der Umstand dass weniger Bauern zu weniger Nahrungsmittel, damit zu höheren Preisen der Lebensmittel, damit zu mehr Geld für die Bauern und damit zu mehr Bauern führen würde, wurde schlicht und ergreifend als theoretisches Gefasel verworfen.

Heute wissen wir dass es genauso ist und der Markt die Preise besser regelt als die Gilden. Deswegen gibt es keine Gilden mehr und jeder kann sich aussuchen welchen Job er machen möchte.

Aber kann man den Altvorderen einen Vorwurf daraus machen?

Hätten sie recht gehabt und bei freier Berufswahl hätten alle Bauern ihren Hof verlassen und wären Künstler geworden, wären alle Menschen verhungert lange bevor der Markt diese Katastrophe hätte abwenden können. Heute wissen wir dass eine Kombination aus relativ hoher menschlicher Trägheit und relativ rascher Marktreaktion so ein Szenario fast unmöglich macht, aber die Bedanken der Pro-Gilden Fraktion sind verständlich und nachvollziehbar. Diese Leute waren nicht dümmer, es fehlte einfach nur an Erfahrungen beziehungsweise Vertrauen in den Mitmenschen.

Für Personen die in der Denkweise des Komplizierten festsetzen, obwohl es die nächste Stufe schon gäbe, empfinden das „Einfache“ oft als „zu primitiv“ und identifizieren die einfache Eleganz als Mangel.

Ein Beispiel aus der näheren Vergangenheit ist der Fall von Contergan in den 1960igern. Damals litten Staaten mit hohen Auflagen im Bezug auf medizinische Güter weniger unter den Nebenwirkungen dieses Medikamentes als jene mit geringen Auflagen. Dieser Fall gilt als der Goldstandard für Regulationen.

Was hier aber übersehen wird ist wie viele Menschen jedes Jahr sterben die gerettet hätten werden können wenn Wirkstoffe schneller am Markt gewesen wären, gäbe es keine Regulation.

Es gilt hierbei zu verstehen dass die Pharmaindustrie eben nicht daran interessiert ist die Bevölkerung krank zu machen. Die Pharmaindustrie ist daran interessiert viele Medikamente zu verkaufen und nach einem Skandal verkauft man weniger Medikamente. Seine Kunden (offensichtlich) zu schädigen übersetzt sich nur bei sehr dummen Kunden in Wettbewerbsvorteile, es ist damit im Sinne eines jeden Herstellers dass seine Produkte etwas taugen oder wenigstens nicht gefährlich sind.

Würde man etwa vergleichende Werbung zulassen, wäre es nur eine Frage der Zeit bis Käsehersteller XY in seiner Werbung angibt dass er weniger Schadstoffe als der Marktführer in seinem Käse nachweisen konnte.

Qualität ist ein gutes Argument.

Betrachten wir die Zahlen so wissen wir dass Systeme mit einem hohen Grad an Freiheit zu mehr Wohlstand und zu egalitäreren Gesellschaften führen. Dieses Faktum ist unbestreitbar. Ist das Ziel das Bekämpfen von Armut und das Erstellen von Gesellschaften in denen nichts zählt außer wie nützlich man für die Gesellschaft ist, dann ist das das ideale System.

Der Umstand dass das System in keinster Weise einen Plan hat was es mit jenen machen soll die in diesem System die Letzten sind wird vom Sozialismus, verständlicherweise, als Mangel verstanden.

Tatsächlich stellen solche Pläne aber eben nur unnötigen Ballast dar. Menschen finden Wege nützlich zu sein und wenn man nichts tun kann hat der Bettler noch immer eine Trumpfkarte: Dankbarkeit. Menschen geben gern, wenn man es ihnen Dankt und wenn sie mit ihrer Güte angeben können. Ein wesentlicher Bestsandteil der Reputation einer jeden Person ist die Frage seiner Hilfsbereitschaft und genau diese Reputation ist erheblich wenn man selber einmal Hilfe braucht.

Der freie Markt ist perfekt wenn er nur eine einzige Sache tut: dafür zu sorgen dass absolut jede Transaktion nur dann passiert wenn beide Seiten zustimmen, denn dann ist gewährleistet dass absolut jede Transaktion nur dann passiert wenn beide Seiten darin einen Vorteil für sich selber sehen.

Diese einfache Eleganz ist nicht primitiv, sie ist der Gipfel unseres Verständnisses von Wirtschaft und es dauerte Jahrtausende zu dieser simplen Ansicht zu gelangen. Zu verstehen dass solch ein einfaches Prinzip besser ist als Millionen von Regulationen ist etwas das nicht so einfach einzusehen ist. Nichts desto trotz ist dieses beschämend einfache Prinzip die höher entwickelte Philosophie. Der Schritt von der Gilde weg war für den Mittelalterlichen Menschen hart, aber es hat sich gelohnt. Genauso wird der Schritt weg von der Regulation sein. Es wird sich falsch anfühlen aber unsere Nachfahren in Hunderten von Jahren werden sich fragen warum wir so lange für so einen einfachen Schritt gebaucht haben.

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