Vor einiger Zeit war ich in einer Debatte mit einem Argument konfrontiert das mich stutzig machte. Das Argument war „das ist zu einfach“. Ich wurde stutzig weil ich diese Kritik im ersten Moment als valide ansah, erinnert mich dann aber an ein Experiment das genau diese Idee beleuchten sollte.
Vor geraumer Zeit las ich also von diesem Experiment, finde aber heute die Quelle nicht mehr. Der Versuchsaufbau war aber simpel. Die Schlussfolgerungen sind zudem einfach nachzuvollziehen. Das Experiment besticht also durch eine methodische Eleganz, ich muss das Zitat der Quelle aber schuldig bleiben.
In diesem Experiment wurden zwei Menschen Bilder von Zellen gezeigt und die Probanden sollten mittels zwei Knöpfen (krank / gesund) entscheiden ob die Zellen gesund oder krank waren.
Die Maschine informierte die Probanden unmittelbar ob sie Recht hatten oder nicht. Die Krux an der Sache war aber, dass nur einer der Probaten korrekte Informationen erhielt, der andere erhielt die Resultate seines Gegenübers.
Während der eine Teilnehmer also wirklich via Trial and Error lernen konnte, war das für den zweiten faktisch unmöglich.
Das Gefühl „besser zu werden“ hatten aber beide in genau dem gleichen Umfang, denn gegen Ende des Experiments leuchtete ja bei beiden fast ständig „richtig“ auf. Der eine hatte verstanden worum es ging und der andere dachte er hätte es verstanden.
Nach diesem ersten Durchgang ließ man die beiden Personen ihre Methode erörtern. Die Person die tatsächlich in dem Experiment lernen konnte hatte meistens sehr einfache Erklärungsmuster, etwa: „Wenn wo ein schwarzer Fleck ist, ist die Zelle krank“
Die Person der falsche Ergebnisse gefüttert wurden konnte aber nicht zu diesem Schluss kommen, da gelegentlich genauso eine Herangehensweise zu falschen Resultaten führte. Entsprechend war ihre Erklärung fast immer deutlich komplizierter.
Das Problem ist dass sich die Menschen mit dem korrekten, sehr einfachen, Muster fast immer überzeugen ließen. Vor allem Personen die besonders intelligent und oder gebildet waren, waren rasch bereit die kompliziertere Methode zu "verstehen" und zu übernehmen. In einem zweiten Durchgang wiederholten die Personen das Experiment und das Resultat war fast immer schlechter als zuvor.
Wir Menschen verstehen dass die Welt kompliziert und komplex ist und misstrauen daher einfachen Erklärungen.
Nicht nur die Klugen tun das, sondern auch die Dummen.
Selbst die trivialsten Erklärungen der Welt, die Religionen, zeichnen sich durch eine erhebliche Komplexität aus. Das macht sie aber nicht wahrer.
Menschen werden geradezu magisch von Menschen angezogen die eloquent komplexe Theorien vermitteln können. Samuel Rowbotham konnte Menschen einreden dass die Erde flach sei nicht weil er die Wahrheit auf seiner Seite hatte sondern weil er seine Theorien besser verkaufen konnte als die Wissenschaftler mit denen er öffentlich debattierte und zwar genauso wie im Experiment zuvor.
Die korrekte wissenschaftliche Erklärung ist einfach und damit in den Ohren des Laien weniger entwickelt, kultiviert, sofisticated. Die Personen die der einfachen Erklärung vertrauen werden als dumm und naiv angesehen.
Dieser Effekt ist im Bereich der Geisteswissenschaft extrem zu beobachten.
Wirtschaft etwa ist im Grunde eine beschämend einfache Angelegenheit:
„Menschen machen Dinge von unterschiedlicher Nützlichkeit. Diese Dinge bewegen sich von dort wo es davon zu viele gibt dort hin wo es davon zu wenig gibt und Priorität besitzen jene Orte die ihrerseits nützliche Dinge zurückschicken."
Das ist Wirtschaft.
Mehr ist da im Grunde nicht.
Dennoch kann man sein ganzes Leben studieren und wird nicht alle Feinheiten die wir rund um dieses Konzept gesponnen haben verstehen. Versteht man aber diese grundlegende Eigenschaft der Wirtschaft, hat man verstanden warum sie ist wie sie ist, wie sie sein kann und wie sie nicht sein kann.
Genauso ist jede Religion in einem Halbsatz beschreibbar: „Weil Gott“. Das hält Menschen aber nicht davon ab Arbeiten über die Flügelspitze eines Cherubim zu schreiben und auf Leute herabzublicken die das Wort nicht kennen um dann selbstgefällig zu behaupten dass derartig ungebildete Menschen kein Recht darauf hätten die Religion zu kritisieren.
Die Welt ist komplex und kompliziert, chaotisch und verwirrend aber die Grundgesetze und Prinzipen sind oftmals recht simpel, genauso wie die Fundamten der kompliziertesten Gebäude oftmals sehr einfach strukturiert sind.
Jene die besonders aufwändige Erklärungen postulieren sind oftmals angesehener als jene die auf die einfachen Prinzipen pochen. Sie wirken zwangsläufig entwickelter, kultivierter, sofisticated eben.
Die Prinzipien zu verstehen reicht natürlich nicht aber sie missverstehen führt geradezu zwangsläufig zu Problemen und dieses Missverständnis entstammt sehr oft unserem Glauben dass die komplexere Erklärung richtiger sein muss. Dem ist aber oftmals nicht so.
Die meisten, für uns Menschen tatsächlich relevanten, Dinge sind prinzipiell einfach aufgebaut und erst im Detail kompliziert.
Vorherzusagen wie Flüsse sich ihren Weg in der Landschaft suchen ist etwa unheimlich komplex und erstaunlich aufregend, am Ende läuft es aber immer darauf hinaus dass das Wasser eben nach unten fließt.
Jede Theorie die das in Frage stellt, sei sie auch noch so komplex, noch so eloquent formuliert und von noch so vielen Akademikern gefeiert, wird zu falschen Resultaten führen.
Die simplen Zusammenhänge sind zwar unaufregend aber sehr häufig dennoch der Schlüssel zur Wahrheit.
Gleichzeitig sollte man nicht dem Irrglauben verfallen, man hätte recht, nur weil man einer Theorie anhängt die so kompliziert ist, dass sie niemand versteht.
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