Als Rom aufhörte seine Soldaten zu bezahlen (weil Rom im Grunde nicht mehr existierte) waren einige Soldaten in einer günstigeren Lage als andere. Vor allem jene die mitten im Nirgendwo in einem Wachturm positioniert waren erhielten zwar nun keine Bezahlung mehr aber es war auch niemand mehr da der etwas dagegen sagte wenn sie sich nun als Eigentürmer des Wachturms bezeichneten. Man könnte sagen diese Soldaten „privatisierten“ das militärische Equipment.
Diese Wachtürme waren, zum Teil, steinerne Festungen mit erheblichem militärischem Wert. Eine Hand voll Soldaten konnten den Angriff einer Übermacht, dank der Festung, durchaus abwehren. Ihr Wert war also, vor allem in diesen chaotischen Zeiten, erheblich. Diese Wachtürme stellten so oft die Grundlage für die späteren Burgen dar. Heute interessiert uns aber wie die Wachtürme zu Burgen wurden. Im ersten Schritt zogen Menschen in die Nähe dieser Verteidigungsanlagen um von ihrem taktischen Vorteil zu profitieren oder aber die Soldaten begannen Felder in der Nähe der Festung zu bestellen. Die Soldaten taten also weiterhin was sie vorher schon taten: sie boten ihren Schutz gegen Bezahlung an nur schützten sie nun nicht mehr Rom sondern ihre kleine Gemeinde.
Meistens etablierte sich aus der militärischen Macht natürlich auch ein Führungsanspruch. Aus den Dienern des Volkes wurden so ihre lokalen Herrscher.
Was sich primär etablierte war eine Dualität: meistens stand an taktisch günstiger Position die Festung (etwa auf einem Hügel) und unmittelbar daneben wuchs ein kleines Dorf. Im Falle eines Angriffes floh man in die Festung. Im Laufe der Zeit wurden Wälle und Palisaden angelegt und die beiden Strukturen verschmolzen zu einer. Der angelsächsische Historiker spricht von motte and bailey, wobei die Motte den primär militärischen Teil der Anlage bezeichnet und Bailey den (späteren) Burghof, also den zivilen Teil der Anlage.
Interessant hierbei ist die besagte Dualität des Setups. Der Festungsteil war im Kriegsfall nützlich und praktisch uneinnehmbar, dafür in Friedenszeiten teuer zu unterhalten. Der zivile Teil war billig zu errichten aber in einer Kampfsituation kaum zu verteidigen. Die Kombination machte dieses Setup aber wegweisend für Generationen und sollte Europa noch auf lange Zeit prägen.
In der Diskussionskultur kennt der englischsprachige den Begriff der „motte and bailey fallacy“ (übersetzt etwa: „Motte und Bailey Fehlschluss“).
Die Taktik dahinter ist die Kombination einer einfach zu verteidigenden Position mit einer schwer zu verteidigenden. Wird man angegriffen zieht man sich einfach in die einfach zu verteidigende Position zurück. So etwa kann postuliert werden dass man „für Gerechtigkeit“ ist und kombiniert diese einfach zu verteidigende Position (denn jeder ist für Gerechtigkeit) mit der Forderung ein Ministerium für Gerechtigkeit einzusetzen, etwas das üblicherweise eher kontrovers gesehen wird.
Wird das Konzept des Ministeriums für Gerechtigkeit angegriffen fällt man einfach auf die sichere Komponente zurück und behauptet die Kritiker lehnen Gerechtigkeit ab und pocht auf die eigene moralische Überlegenheit.
Die Politik nutzt ein vergleichbares System indem sie Beschlüsse kombiniert. So wird kurzerhand irgendein Vorschlag der breiten Unterstützung in der Bevölkerung geniest mit einem Vorschlag der eher kontrovers gesehen wird kombiniert. Wird der kontroverse Teil kritisiert wird sofort auf den Teil verwiesen den viele haben möchten. Wenn man also ablehnt eine Bank mit Milliarden zu "retten" dann kann man auch nicht die Renovierung der Kindergärten beschließen und überhaupt und außerdem, warum hasst ihr denn Kinder?
Interessant ist dass es für dieses Konzept kein deutschsprachiges Analog gibt. Zwar kennt man das Konzept des Fehlschlusses, allerdings wird dieses Konzept im deutschen Sprachraum erstaunlich chaotisch und unstrukturiert benutzt, wohingegen in englischsprachigen die „List of fallacies“ (Fehlschlussliste) zur Grundausstattung des debattierenden Menschen gehört.
Wesentlich ist hierbei die beiden Dinge zu trennen. Man kann ohne Weiteres für Gerechtigkeit sein und ein Ministerium für Gerechtigkeit ablehnen. Man kann für Umweltschutz sein ohne nutzlosen Institutionen Milliardenförderungen zukommen zu lassen und man kann gegen Haschismus(sic!) sein und dennoch die antiha(sic!) ablehnen.
Es gilt hierbei einfach klarzustellen dass diese Dinge ohne weiteres getrennt voneinander betrachtet werden können und sogar betrachtet werden müssen. Trennt man diese Dinge und hängen sie tatsächlich zusammen ergibt sich, für einen Menschen mit Prinzipien, die gleiche Schlussfolgerung.
Wenn man etwa nicht möchte dass ein Damm bricht weil dieser eine Stadt überfluten würde man für die Erhaltung des Dammes eintreten. Diese Dinge hängen kausal zusammen. Die Behauptung hingegen dass eine demokratische Revolution dazu führen würde dass der Damm bricht weil nur der König sich für den Erhalt des Dammes einsetzt ist genau so ein Fehlschluss den Monarchisten nutzen um die Monarchie zu schützen. Es klingt glaubwürdig und ist für sich betrachtet sogar (im hier und jetzt) wahr, aber gleichzeitig ist es auch unhaltbarer Unsinn.
Wesentlich ist es zu verstehen wann man mit so einer unsauberen Argumentation konfrontiert wird. Die Gegentaktik muss hierbei immer lauten klar zu stellen dass Motte und Bailey zwei völlig unterschiedliche Dinge sind und man eines ohne Weiteres ablehnen kann wenn man dem anderen zustimmt. Das Pochen auf die untrennbare Verbindung der beiden Dinge muss derjenige erst beweisen und diese Beweislast liegt dann einzig und alleine bei ihm.
Dieser "Beweis" erfolgt meistens mittels Verweis auf Autorität, welche üblicherweise recht einfach zu demontieren ist.
Es gilt zu verstehen wie diese schmutzige Art der Argumentation funktioniert, um nicht in eine Sackgasse gedrängt werden zu können. Motte und Bailey wird üblicherweise verwendet wenn derjenige der sie verwendet sich völlig im Klaren darüber ist wie unhaltbar dumm, kontrovers oder unhaltbar seine Ansichten sind. Erkennt man diese Taktik, hat man die Debatte meistens schon, in den Augen der interessierten Zuhörer, gewonnen.
andres hüller unbekannt
Eine kleine Anmerkung zum Schluss: Als Beispiele wurden bewusst fiktive Beispiele gewählt, alle Ähnlichkeiten mit der Realität sind völlig zufälliger Natur und absolut unbeabsichtigt.
Das liegt natürlich nicht daran dass es in der Welt keine Beispiele gibt sondern ich Kritikern keine Möglichkeit geben möchte im Bezug auf diese Beispiele Haare zu spalten.