Seit 1886 beschäftigen wir uns wissenschaftlich mit dem Problem das nicht alle unserer Erinnerungen wirklich Erinnerungen sind. Seither wissen wir recht viel darüber. Schätzungen zufolge sind mindestens ein Viertel aller Dinge an die wir uns erinnern niemals passiert. Es braucht kein Genie um sich auszumalen warum das ein Problem sein dürfte.

Wo kommen diese falschen Erinnerungen her? Eine klassische Quelle ist der simple Traum. Wir können uns aus gutem Grund nicht an unsere Träume erinnern, denn würden wir es tun hätten wir sofort Erinnerungen von Dingen die niemals wirklich passiert sind. Das wäre unpraktisch.

Blöderweise können wir uns aber oftmals doch an Träume erinnern und diese Erinnerung wird umso stärker je öfter wir sie im Gedächtnis abrufen oder darüber sprechen. Träume kommen in unterschiedlichen Abstraktionsstufen und es ist einfach zu wissen dass die Erinnerung in der man auf einem Drachen geritten ist nur ein Traum war. Ein böses Wort aus dem Mund des Nachbarn kann aber durchaus etwas sein das niemals passiert ist, das dann aber sehr reale Konsequenzen haben kann.

Neben dem Traum ist die Suggestion ein Problem. Im „Lost in the mall“ Experiment werden die Teilnehmer zu Erinnerungen aus ihrer Kindheit befragt. Zu diesem Zweck dürfen sie vorher Verwandte befragen, wissen aber nicht dass eine der Erzählungen (das man im Supermarkt verloren gegangen sei) nicht so passiert ist. Über 10% der Personen können sich an diese „implantierten“ Erinnerungen klar erinnern und sind der festen Überzeugung dass das so passiert wäre.

Bei einem anderen Experiment wurde festgestellt dass man 70% der Teilnehmer suggerieren konnte dass sie in ihrer Jugend eine kleine Straftat begangen haben. Man muss nur wissen wie.

Wir wissen dass manche Menschen nach Verhören davon überzeugt sind Verbrechen begangen zu haben die sie nicht begehen konnten. Das passiert weil die Verhörexperten eben (unter)bewusst solche Erinnerungen implantieren.

Andere Erinnerungen sind kulturell geprägt, etwa der weit verbreitete Irrglaube dass der Monopolymann ein Monokel trägt. Was nicht stimmt.

In anderen Worten: wer sich auf seine Erinnerung verlässt hat in einem von vier Fällen ein Problem. Fakt ist dass jeder von uns Entscheidungen auf der Basis seiner Erfahrungen trifft und diese Erfahrungen sind zum Teil nicht echt. Entsprechend treffen wir Entscheidungen auf der Basis von Träumen, Suggestionen und Mythen. „Aus dem Bauch heraus“ Entscheidungen zu treffen ist nicht nur aber auch wegen dieser falschen Erinnerungen keine gute Idee.

Viele der Dinge von denen wir „wissen“ dass sie funktionieren, funktionieren nur in unseren Träumen und viele der Dinge die wir fürchten sind implantierte Ängste die wir nur deswegen haben weil sie uns durch ständige Wiederholung eingeredet wurden.

Unsere Erinnerungen sind also deutlich weniger verlässlich als wir gern glauben möchten. Eine gute Waffe gegen Manipulation ist Reflektion und Dokumentation. Eine Form von Tagebuch oder Niederschrift der eigenen Überzeugungen kann sehr hilfreich sein um zu rekonstruieren wie es vor 10 Jahren wirklich war, was man damals glaubte, wünschte oder wovor man sich fürchtete. Die meisten meiner Leser haben genau so etwas, genau hier. Schnappt euch eure Blogs und druckt sie aus. In 20 Jahren wird euch vieles was ihr gesagt habt wundern und freuen. Und mit etwas Glück hilfet es auch falscher Erinnerungen zu identifizieren und entsprechend mit ihnen umzugehen.

PS: liebe Redaktion, es wäre nett wenn man alle seine Blogs auf einen Schlag herunterladen könnte. ;)

redbull.com https://www.redbull.com/de-de/traeume-kontrollieren-lernen-mit-gaming

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Matt Elger

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Petra vom Frankenwald

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Kai-Uwe Lensky

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