„Der Leser hat's gut: Er kann sich seine Schriftsteller aussuchen.“ sagte in den 1930igern Kurt Tucholsky. Kritiker zu sein ist recht einfach: man reagiert einfach auf das was andere tun und postuliert was derjenige besser tun hätte können. Diese Kritik kann aber recht unterhaltsam sein, in manchen Fällen sogar unterhaltsamer als das kritisierte Objekt selber.
Paul Chato, seines Zeichens ehemaliger “head of television comedy” der CBC Television in Kanada spekulierte kürzlich darüber ob Kritik nicht eventuell die Zukunft der Unterhaltung wäre. Youtube ist voll mit Kanälen die Filme zerlegen, analysieren oder kritisieren. Manche dieser Videos sind länger als die eigentliche Quelle und einige dieser Videos sind vor allem eines: unterhaltsamer als die eigentliche Quelle.
Schätzungen zu Folge wurden Videos über Amazons „die Ringe der Macht“ länger geschaut als die Serie selber.
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Wie sind wir aber dort hingekommen? Im Grunde hängt alles mit dem Ende des linearen Fernsehens zusammen. In den 90igern hatte man keine große Wahl. Selbst mit Kabel oder Satellit musste war die Auswahl überaus überschaubar. Wozu sollte man sich im Vorfeld groß informieren?
Heute sieht die Welt anders aus. Heute haben wir die Wahl zwischen tausenden Filmen, haben aber nicht mehr Zeit sie zu sehen, wir können es uns also leisten wählerisch zu sein.
Daraus folgt, dass sich im Vorfeld zu informieren ob ein Film oder wichtiger noch: eine Serie unsere Zeit wert ist, wichtiger als in der Vergangenheit. Man will ja nicht 30 Stunden in eine Serie investieren um dann frustriert zu sein, weil die Serie abgesetzt wurde und mit einem Cliffhanger endet. Früher passierte das eben. Heute muss es einem nicht passieren.
Gleichzeitig ist man nicht mehr von den Kritiken in der Zeitung abhängig, von denen wir schon früher wussten, dass sie in Wirklichkeit bezahlte Werbung sind.
Heute können wir Youtube schauen und Freaks die viel zu viel Zeit und Energie in das Überanalysieren von Filmen steckten geben recht eindrucksvolle Analysen ab. Da das Internet gnadenlos meritokratisch ist, blieben von den Millionen von Leuten die das taten nur wenige über, wobei jeder natürlich sein Steckenpferd hat.
Die Erfolgreichsten davon sind aber vor allem eines: ausgesprochen unterhaltsam.
Was Menschen unterhaltsam finden ist natürlich von Mensch zu Mensch verschieden, aber manches ist universaler als anderes. „Cinema sins“ etwa hat eine Methode gefunden Kritik und Unterhaltung ausgesprochen breitenwirksam zu liefern. Praktisch jeder findet die witzig.
Plötzlich war also der Kritiker lustiger als der Film und die Konsequenz ist nur allzu logisch: Menschen saßen plötzlich auf der Couch und sahen sich abends Videos über Serien an anstatt der Serien.
Ich denke Chato hat mit seiner Analyse völlig recht: das klassische Film und Serienformat ist am aussterben, ich widerspreche aber der Ansicht, dass Formaten wie Cinema-sins die Zukunft gehört. Ich denke es handelt sich hier um einen Übergang. Viel Potential sehe ich in der neuen Form des Reality TV. Das Leben schreibt noch immer die besten Drehbücher und viele der spannendsten Formate die man im Moment konsumieren kann sind Events in denen hunderte Menschen in einem Spiel etwas simulieren.
Die Dynamiken in diesen Situationen schlagen oftmals alles das sich ein Autor ausdenken kann. Diese Form der Unterhaltung steckt allerdings noch tief in den Kinderschuhen, aber es lässt eine Richtung erahnen.
Für die Skeptiker die das in Zweifel ziehen habe ich eine Hausaufgabe: schaut auch die zunehmenden 4-Wall Durchbrüche in rezenten Filmen an. Noch nie zuvor haben Filme und Serien so aktiv versucht selber Kommentare über ihren Film oder ihr Genre zu geben. Die Autoren versuchen verzweifelt den erfolgreichen Kritiker zu emulieren.
Unterhaltung ist im Wandel und es ist durchaus spannend diese Änderung zu beobachten, was den Wandel selber zu einem bedeutenden Teil der Unterhaltung macht.