„Wenn es sicher ist“ bedeutet „Nie“

Sicherheit ist das große Thema unserer Zeit. Das ist verständlich. Wir kämpfen nicht mehr ums Überleben, wir haben keine echten Sorgen mehr. Die einzige Sorge die noch in unserem Leben ist, ist unser unabwendbares Ableben. Wir verhalten uns kollektiv genauso wie die Könige der Antike die Heere von Alchemisten damit beauftragten ihr Leben zu verlängern, mit oftmals hochgradig kontraproduktiven Methoden. Nicht nur Qin Shi Huang wurde von seinen Alchemisten langsam, aber konsequent, mit vermeintlich lebensverlängernden Quecksilbertinkturen vergiftet. Überall streben die Sorglosen danach ihr Leben in die Unendlichkeit zu verlängern. Für den armen Schlucker, für den die Option zu verhungern jeden Tag vorhanden ist, sind andere Sorgen viel dringlicher.

Wir sehnen uns also nicht nach einem Stückchen Filet oder gar Torte. Wir gehen zum Supermarkt und kaufen uns diese Dinge die für die Mehrzahl der Menschen in der Geschichte Luxusgüter garstellten.

Wir sehen uns nach Sicherheit. Garantierte Sicherheit. Wir akzeptieren absurde Kosten für dieses Produkt und Anbieter von Sicherheit sind heute nicht knapp. Man kann die Sicherheit der Seele kaufen, das sicherste Auto, Sicherheit wenn einem etwas passiert, Sicherheit wenn einem nichts passiert, wir kaufen Sicherheit gegen Krankheiten, Feuer, Diebe, Einbrecher und all die anderen Produkte die uns angeboten werden.

Wir können es uns ja leisten.

Das Resultat ist ein regelrechter Sicherheitsfetisch. Das Problem hierbei ist dass jede Sicherheit mit Beschränkung einhergeht. So wirklich sicher sind wir erst wenn wir nicht mehr aus dem Bett aufstehen und hat man sich eine Zeit lang daran gewöhnt aus dem Bett heraus mit dem Laptop zu arbeiten, dann erscheint einem die Welt noch eine Spur gefährlicher als zuvor.

Aus dem Fetisch wird eine Neurose.

Ich befürchte ein erheblicher Teil der Bevölkerung stolpert genau in diese Neurose. „Ich gehe erst wieder raus wenn es sicher ist!“ Höre ich jeden Tag. Das bedeutet aber dass derjenige niemals wieder hinausgehen wird.

Die Welt ist nicht sicher und wird sie nie sein. Sie erscheint uns nur sicher weil wir so absurd reich sind. Die vermeintliche Sicherheit ist eine Illusion. Das Leben ist gefährlich und überall lauert der Tod.

Die Gesellschaft die den Tod am wenigsten zu fürchten hat, kauert nun in einer Ecke, starr vor Angst, zur großen Verwunderung jener für die Gevatter Tod ein ständiger Begleiter ist.

Sollten wir hinausgehen und Wildfremde abknutschen? Natürlich nicht aber wer glaubt dass er warten könnten bis die „Welt sicher ist“ sitzt einem gewaltigen Denkfehler auf. Wir sollten unseren Lebensweg in angemessener Vorsicht beschreiten, weder tollkühn noch starr vor Angst. Sein Leben zu leben ist ein Risiko, jeder Schritt ist ein Risiko, aber genau das macht das Leben am Ende lebenswert und wertvoll.

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Matt Elger

Matt Elger bewertete diesen Eintrag 05.05.2020 18:40:36

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