Vor vielen Jahren, als das politische Klima ruhiger war und Links und Rechts noch durchaus friedlich miteinander debattieren konnten fand ich mich fest im linken Lager, scheute aber keine Konfrontation mit der damaligen Rechten. Genau das brachte mich in Konflikte mit meinen Genossen, einer davon bezichtigte mich ein Nazi zu sein. Seine Argumentation war einfach: ich debattierte mit Nazis über Sinn oder Unsinn eines neuerlichen Anschlusses an Deutschland. Ich argumentierte ebenso knapp dagegen indem ich sagte dass ich fest gegen so eine Idee bin und das auch kompromisslos in der Debatte argumentierte. (Das galt damals als linke Postion. Es gilt sich zu erinnern dass zu diesem Zeitpunkt die Linke auch kein Fan der EU war.)

Hier offenbarten sich unterschiedliche Sichtweisen. Für mich war und ist jemand der gegen etwas argumentiert ein Gegner einer Sichtweise. Für meinen damaligen Genossen hingegen ist jemand der auch nur mit „dem Feind“ spricht ein Feind.

Daraus folgen unterschiedliche Strategien. Ich etwa will meinen politischen Mittbewerb überzeugen oder wenigstens eine andere Sichtweise zu vermitteln. Für den Genossen war und ist das keine Option. Er will die andren vernichten oder wenigstens unterdrücken. Ich halte bis heute meine Herangehensweise für sinnvoller, humaner und klüger, wenn auch schwieriger.

Mary Miller fand sich 2021 in einer ähnlichen Situation. Die amerikanische Kongressfrau sagte im Jänner dass Hitler die Jugend benutzte um seine Ideologie in der Bevölkerung zu zementieren. Die Idee war die Jugend derartig mit Propaganda zu bombardieren dass sie die konservativen Werte der Eltern schlicht vergessen würden und dann nur noch „die eine Ideologie“ da wäre.

Sie behauptete dass politische Gruppen heute wieder die Jugend im Visier hätten, das Buch „not my Idea – a book about Whitness“ steht hierbei im Raum. Sie sagte dass er mit dieser Analyse Recht hatte.

Genau das brachte ihr Kritik ein und Artikel über Artikel wurden produziert die sagten dass Mary Miller sagte Hitler hatte Recht gehabt. Tatsächlich aber sagte sie, dass ein düsterer Plan einer fürchterlichen Person aufging und sie befürchtet dass nun etwas Ähnliches in ihrem Land passieren würde. Hier eine Begeisterung für den Oberbraunen zu erkennen bedingt einige zerebrale Gymnastik.

Auch die Schauspielerin Gina Corano, bekannt aus der Serie „the Mandalorian“, fand sich in einer ähnlichen Situation. Sie sagte dass die Nazis die Macht im Land übernehmen konnten weil sie ein Klima schafften in dem Nachbarn einander misstrauten und irgendwann jeder nach Ordnung brüllte und sie habe Angst dass sich nun eine ähnliche Situation in ihrem Land manifestieren würde.

Corano wurde daraufhin gefeuert während ihr Schauspielkollege Pedro Pascal munter Nazivergleiche in die Welt herausbrüllte. Nur eben in die andere Richtung. Formal kritisierten beide die Nazis, aber die eine Form ist scheinbar links und die andre ist scheinbar rechts.

Was Miller und Corano aber tatsächlich schuldig macht ist dass sie mit den Methoden der Nazis ausreichend vertraut sind um einen Nazi zu erkennen. Und das ist gefährlich für jene die auf genau die gleichen Methoden gerne zurückgreifen möchte ohne mit dem Stigma verbunden zu werden.

Ignazio Silone prophezeite nach dem zweiten Weltkrieg dass der Faschismus zurückkehren würde und sich dann „Antifaschismus“ nennen würde. Um das zu überprüfen muss man aber wissen was die Faschisten damals getan haben und dazu muss man sie studieren und auch mit ihnen reden. Analysiert man die Faschisten des zweiten Weltkrieges (vor allem ihren Aufstieg) hat man eine Ahnung wie ein Faschist klingt und kann sehen ob heute die gleiche Methodik und Rhetorik verwendet wird und kann ohne weiteres zu dem Schluss kommen dass Silone recht hatte.

Wie auch damals gibt es nicht einen Faschismus sondern jede Menge Schulen die sich mitunter feindlich gegenüber stehen und wie damals posaunt der Faschismus ein vages „Wir sind für Super und gegen Scheiße“ in die Welt heraus, fordert Macht für zentralisierte Strukturen und postuliert dass jeder der nicht für ihn ist eben ein Feind sein müsse und entsprechend weg muss.

Geschichte wiederholt sich nicht.

Geschichte reimt sich aber.

Der gleiche Menschenschlag der damals den Nazis nachlief läuft jetzt anderen Bewegungen nach die ähnliche Methoden, wenn auch zum Teil, andere Ziele verfolgen.

Es gilt zu verstehen dass Ziele eine Bewegung nicht zum Problem machen sondern nur ihre Methoden. Wenn eine Gruppe die Welt sprengen möchte und das Mittel der Wahl ein Hungerstreik ist, dann geht von dieser Bewegung keine Gefahr aus. Eine Bewegung mit fürchterlichen Zielen aber ungefährlichen Methoden ist immer ungefährlicher als eine Bewegung mit moderaten Zielen aber finsteren Methoden.

Es gilt sich daher für denen zu fürchten die die Methoden der Nazis verwenden und genau hier liegt die Sünde von Cornao, Miller und Angus: wir warnen vor Menschen die „Nazi tun“ und pochen darauf dass etwas das wie eine Ente watschelt, wie eine Ente aussieht und wie eine Ente klingt eben durchaus mit einer Ente assoziiert werden kann und sollte und ernten dafür eben Kritik von Leuten die sich, zum Teil ohne es zu wissen, den Methoden einer der fürchterlichsten Bewegungen unserer Geschichte bedienen.

Man sagt dass man verdammt ist die Geschichte zu wiederholen wenn man nicht aus ihr gelernt hat. Und es scheint als hätten wir zu wenig gelernt.

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