Adieu Facebook! Hallo Ello, oder was?

Jetzt sind wirklich fast alle da. Der Physikprofessor, der einen in der Oberstufe so gequält hat, die Klassenkollegin aus der Volksschule, die man seither eigentlich nicht vermisst hat, die Gastmutter aus dem Spanisch-Austauschprogramm, ja, sogar der Chef und der Vater der Ex-Freundin.

Marc Zuckerberg, der stets so harmlos dreinblickende Gründer von Facebook, hat sie alle angelockt und so existieren im Achtmillionen-Einwohner-Land Österreich mittlerweile auch schon gut 3,5 Millionen Facebook-Konten...

Natürlich sind wir auch hier, wie überall sonst im Land, nämlich überaltert. Aber auch die Jungen sind hier, ganz anders als gern behauptet wird – oder sind 1,8 Millionen Nutzer unter 30 etwa nichts? Es macht jedenfalls den Eindruck, dass die Unkenrufe vom langsamen Sterben des alles dominierenden Netzwerks etwas voreilig waren. Oder doch nicht? Es könnte sein, dass sich die Facebook-Chatrooms bald in Windeseile leeren werden und Marc Zuckerberg mit seinem börsennotierten Unternehmen Probleme bekommt. Den Eindruck bekommt man zumindest, wenn man den Hype um ein quietschneues Netzwerk beobachtet. Ello heißt die geheimnisvolle US-Plattform, bei der man sich zuerst einmal auf einer Liste eintragen lassen muss, um überhaupt eine Einladung für die Registrierung zu bekommen. Das Logo ist ein schwarzer runder Kreis mit einem weißen Smiley-Strichmund.

Viel mehr Auskunft kann ich selbst noch nicht geben. Denn ich habe mich zwar, neugierig wie ich bin, sofort auf die Warteliste setzen lassen, werde seither aber nur in regelmäßigen Abständen informiert, dass man sich noch in der Beta-Phase befindet und die eifrig arbeitenden Mitarbeiter von Ello alles daran tun, die unzähligen Anfragen, die seit einiger Zeit eintrudeln, zu bearbeiten. Auch meine Anfrage ist darunter, ich soll mich bitte noch schön brav gedulden.

Menschen, die schon eine Einladung erhalten haben, geben unterschiedliche Auskunft. Für die einen zählt vor allem der Reiz, als Erste einen neuen virtuellen Raum betreten zu dürfen. (Es soll übrigens ein schlichter, schwarz-weißer Raum sein.) Für die anderen, die Ehrlichen, ist es in diesem Raum aber vor allem eines: langweilig! Weil da wo sie sind, kaum jemand anderer ist. Manche nennen Ello bereits das „Öko“- oder „Bio-Facebook“. Weil es werbefrei und ohne Sortieralgorithmus funktioniert und sich an den Datenschutz seiner Nutzer hält. Umgekehrt sind die Benutzerregeln etwas lax, so muss zum Beispiel niemand seinen echten Namen eingeben. Es ist also ein Facebook ohne negative Eigenschaften. Schön, denke ich mir, vor allem, weil ich gelesen habe, dass man zwar wie beim großen, kommerziellen Bruder mit „Friends“ befreundet sein kann.

Wenn einem aber die ständigen Updates der Großtante oder des Ex-Kollegen auf die Nerven gehen, gibt es die Möglichkeit, diese Nervensägen in den sogenannten „Noise“-Ordner zu schieben. Dort wo Lärm drauf steht, muss ich aber eben nicht ständig hineinschauen, wenn ich nicht will. Dass das Ello-Like „Love“ heißen soll ist hingegen alles andere als kreativ. Vergeben wir nicht schon bei Instagram und Pinterest virtuelle Liebe in Form von kleinen Herzchen? Alles in allem bringt mich der plötzliche Ello-Wahnsinn vor allem durcheinander. Und ich frage mich: Warum sind wir auf der Suche nach neuen virtuellen Räumen und wundern uns, dass wir dort alleine sind? Wieso ist immer das Neue, Unbekannte spannend? Und wieso drehen wir nicht unsere Smartphones ab und gehen in den Wald, wenn wir Einsamkeit und Stille suchen? Wieso verbinde ich mich in der digitalen Welt nicht einfach mit wem und wann ich will? Die Freundschaftsanfrage der Ex-Kollegin und des Physikprofessors muss ich nicht annehmen. Auf Facebook nicht und auf Ello nicht. Denn auch dort werden sie hinkommen, wenn alle anderen da sind.

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