Die FPÖ muss am Dienstag Opfer eines Fake-Videos geworden sein. Anders wäre es nicht zu erklären, dass unter ihrem Namen oder zum Beispiel auch unter jenem des Klubobmanns der FPÖ-Fraktion im Parlament, Johann Gudenus, just zum gleichen Zeitpunkt ein eindeutig ausländerfeindliches Video zur Einführung der E-Card mit Fotos aufscheint.

Es ist doch undenkbar, dass eine Regierungspartei sich auf diese Weise auf dem Gipfel der Heuchelei herumtreibt, während die Regierung im Bundeskanzleramt zu einem „Gipfel für Verantwortung im Netz und Gewaltprävention“ eingeladen hat. Es ist doch undenkbar, dass Vizekanzler Heinz Christian Strache erklärt, das „Internet darf kein rechtsfreier Raum sein“ und seine Partei gleichzeitig dort ein Video mit eindeutig rassistischem Inhalt verbreitet. Das muss ihr doch jemand unterschoben haben, nicht wahr? Oder nicht!

In dem Video, das binnen kürzester Zeit tausendfach geteilt wurde, wird ein kleiner Mann mit der arabisch-türkischen Kopfbedeckung Fez gezeigt, der auf einen Schalter zugeht. Ton: „Das ist Ali. Er geht heute zum Zahnarzt, um seine Zähne auf Vordermann (sic!) zu bringen.“ Die E-Card sei aber von seinem Cousin Mustafa. Sie werde nicht akzeptiert, denn „dank der FPÖ“ müsse nun jede E-Card ein Foto haben. Dann Auftritt von Sozialministerin Beate Hartinger-Klein: Es müsse Missbrauch durch jene verhindert werden, die sich in das Sozialsystem schummeln, ohne je eingezahlt zu haben, sagt sie. Dann Ton: „Pech gehabt, Ali. Es heißt nun: Sozialmissbrauch ade“, gefolgt vom Logo „FPÖ Soziale Heimatpartei“.

Das kann alles nur gefälscht sein. Es kann doch nicht sein, dass Strache von der „richtigen Balance zwischen Freiheit und Schutz“ im Netz spricht und dieses rassistische Video seiner Partei toleriert. Es kann ja nicht sein, dass er ein „Grundrecht“ für Rassismus und Ausländerfeindlichkeit meint, wenn er sagt, es dürfe zu „keiner Einschränkung von Grundrechten kommen“. Oder vielleicht doch! Denn seine Sympathisanten werden sicher auch dieses Video mit dem „Recht auf Meinungsfreiheit“ verteidigen. Und das ist schließlich „oberstes Ziel“ – auch für Strache.

Gehört es zur Meinungsfreiheit, nur Ausländern Missbrauch des Sozialsystems zu unterstellen? Wie die Rechercheplattform Addendum im November 2017 herausgefunden hat, gibt es keine genauen Zahlen und keinen Überblick über das Ausmaß des Missbrauchs von E-Cards – geschweige denn wer ihn genau betreibt. „Nicht einmal die einzelnen Krankenversicherungsträger haben einen vollständigen Überblick“, heißt es bei Addendum. Von 2014 bis 2016 hätten die Gebietskrankenkassen dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger 812 „Verdachtsfälle“ gemeldet.

Erst vor kurzem hat Armin Wolf in der ZIB 2 Strache mit einem Video auf seiner Facebook-Seite konfrontiert, von dem der Vizekanzler behauptete, er habe es ohnehin gelöscht. Medienberichten zufolge war das zum Zeitpunkt der Behauptung schlicht und einfach falsch.

Es ist Methode und ist es nicht Methode, so ist es doch Wahnsinn, lautet ein gängiger Spruch. Die Methode der FPÖ besteht darin, etwas auf Facebook-Seiten zu stellen, von dem man sich dann bei negativen Reaktionen umgehend distanziert. Da wurde der Beitrag aber schon zehntausendfach geteilt.

Wie ist das dann mit der Forderung, dass das Netz kein „rechtsfreier Raum“ sein dürfe? Ali wird beschuldigt, Sozialmissbrauch zu versuchen. Ali wird mit seinem Namen und seinem Fez eindeutig als Moslem identifiziert. Es wird ihm auch unmissverständlich eine Straftat unterstellt. Im Strafrecht versteht man aber unter „Verhetzung“ auch die Verächtlichmachung einer „religiösen oder ethischen Gruppe“. In den Strafbestimmungen gibt es eine Trennung zwischen zulässiger Religionskritik, die unter die Meinungsfreiheit fällt, und der rassistischen Unterstellung einer ganzen Bevölkerungsgruppe. Strafrahmen bis zu zwei Jahren Haft. Wann das Netz ein rechtsfreier Raum ist und wann nicht, bestimmt offenbar die FPÖ.

Politisch gesehen, konterkariert die FPÖ mit der Verbreitung dieses Videos nicht nur den „Gipfel für Verantwortung“ am gleichen Tag, an dem dieser stattfand, sondern zieht ihn auch ins Lächerliche. Ob der Koalitionspartner ÖVP weiß, dass das sein Problem ist, ist im Moment nicht erkennbar. Ob die ÖVP erkennt, dass ihr Koalitionspartner bei jeder Gelegenheit testet, wie viel ihr noch zumutbar ist, auch nicht. Nur so viel ist gewiss: Jeder Versuch der FPÖ, ihre Grenzen auszuloten, auf dem die ÖVP nicht reagiert, steigert die Lust der Freiheitlichen an neuen Grenzüberschreitungen.

Aber wie gesagt, sicher alles nur Fake, um der FPÖ und der Regierung zu schaden! So unintelligent kann eine Regierungspartei doch gar nicht sein, sich freiwillig politisch derart ins Knie zu schießen – an dem Tag, an dem man von einem populären Thema (Hetze im Netz) profitieren wollte. Oder?

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