Vor dieser Ad-Hoc-Wahl im Oktober dreht sich das politische Karussell so schnell, dass man nicht nur leicht den Überblick verliert, sondern auch ein gewissen Schwindelgefühl nicht los wird. Statt Bäume wie im gleichnamigen Kinderspiel muss man sich nur Parteien/Gruppen/Bewegungen – jetzt und früher – denken. Da rennen erwachsene Menschen alias Politiker und Politikerinnen von einem Baum zu anderen in der Hoffnung dort ein Mandat zu finden, das beim vorigen nicht mehr zu haben ist.
Wer zu lange in der Mitte verweilt, geht leer aus. Es gibt aber auch welche, die beherrschen das „wechsle dich“ so perfekt, dass sie schon mehrere Bäume besetzt gehalten haben.
Was aber soll der Wähler von diesem politischen Ringelspiel halten? Vielleicht hilft eine Kategorisierung der Motive.
1.) Sie rennen von einem Baum, von einer Partei also, zur nächsten in der Hoffnung, dass dieser/diese stärker ist und sie so besser zur Geltung kommen können. Das stellte sich aber in fast allen Fällen als großer Irrtum heraus. In diese Kategorie fällt der Wechsel vom Team Stronach zur ÖVP 2015 (erst Kathrin Nachbaur und Rouven Ertlschweiger, dann Marcus Franz und Georg Vetter). Die Binsenweisheit, „man liebt den Verrat, nicht den Verräter“ erfuhr in den letzten Jahren dadurch eine Bestätigung ohne Bedeutung. Der Wechsel von Franz in das Lager der wilden Abgeordneten ist nach seinem Rauswurf aus der ÖVP-Fraktion noch unbedeutender.
2.) Sie haben einfach zu spät erkannt, dass andere Spieler aus der eigenen Gruppe sie von ihrem Standort verdrängen wollen und sind auf einen anderen Spielplatz gelaufen. Das trifft auf Peter Pilz und die anderen Grünen sowie die SPÖ-Mandatarin Daniela Holzinger-Vogtenhuber, die sich seiner neuen Liste angeschlossen haben, zu.
3.) In die dritte Kategorie fallen alle, die wissen, dass sie am normalen Arbeitsmarkt zu den schwer Vermittelbaren zählen und dort kaum Chancen haben werden. Sie sehen in dem Wechsel die einzige Chance, vielleicht doch ihren Lebensunterhalt weiter mit einem Mandat im Nationalrat bestreiten zu können. Prominentester Vertreter in dieser Kategorie ist der ehemalige Klubchef des Team Stronach, Robert Lugar. Für ihn ist der Wechsel aus diesem Motiv heraus schon Routine: Von der FPÖ zum BZÖ und wieder zurück zur FPÖ.
Da fragt man sich schon, wie konnte sich der Mann im Spiegel schauen, nachdem er am Freitag immer wieder betont hat, wie sehr er „im Herzen immer ein Freiheitlicher“ gewesen sei. Immerhin hat er selbst das Motiv offengelegt, als er von seiner „Abfuhr“ bei der FPÖ 2012 berichtet hat. Dort wollte man ihn auf keinem Mandat sehen, da kam Frank Stronach gerade recht.
Die Frage ist aber auch der derzeitigen FPÖ-Führung zu stellen, die jetzt für einen „Verräter“ die Arbeitsplatzbeschaffung organisiert. Noch vor fünf Jahren wusste Heinz Christian Strache, dass ein Verräter „immer ein Verräter“ bleibt. Vielleicht wechselt Lugar beim nächsten Mal zur Liste des ehemaligen FPÖ-Politiker Karl Schnell (Freie Liste Österreich) falls diese in der nächsten Legislaturperiode noch irgendetwas zu bieten hat. Immerhin könnte er dann mit seinem „freiheitlichen Herzen“ argumentieren, denn das schlug auch sicher auch bei Karl Schnell vor seinem Rauswurf aus der Partei.
Allerdings würde Lugar dann sein Alleinstellungsmerkmal als Multi-Wechsler verlieren. Erst vor wenigen Tagen hat Rainer Widman, ein Bürgerlisten-Gemeinderat in Freistadt, seine Spitzenkandidatur in Oberösterreich für Schnell bekannt gegeben. Er könnte sich dann mit Lugar über die frühere Mitgliedschaft bei FPÖ und dann beim BZÖ unterhalten.
Die Politik hat jedoch ihre eigenen Spielregeln. Es ist immer wieder faszinierend zu beobachten, wie sich ihre Vertreter das eigene Verhalten – ob beim „Bäumchen wechsle dich“-Spiel oder in anderen Bereichen - schön reden; wie sie bei sich Verhalten rechtfertigen, das sie bei anderen verurteilen würden, weil eben die eigene Situation immer „ganz anders“ und nicht vergleichbar sei. Und sie glauben es vielleicht selbst sogar noch.
Selbstverständlich können auch Politiker „über Nacht gescheiter“ werden. Diese öffentliche Zurschaustellung einer gewissen Charakterlosigkeit, wie sie zur Zeit zu beobachten ist, hat jedoch mit neuem Erkenntnisgewinn nichts zu tun. Sie richtet genau jenen Schaden bezüglich der Glaubwürdigkeit der Politiker an, den sie sonst so lauthals beklagt haben - bei anderen.
Aber was ficht sie dann an? Es geht um ihren Platz bei einem Baum und darum, dass sie nicht „übrig bleiben“.