Wenn Sie das Interview eines Kärntner ÖVP-Landesrates namens Christian Benger im ORF-Morgenjournal am Dienstag gehört haben, werden Sie wahrscheinlich an eine Vorschau auf den Villacher Fasching oder einen Ausschnitt aus seiner alljährlichen ORF-Übertragung geglaubt haben. Immerhin schien es sich um die Persiflage eines Politikers zu handeln.
Allerdings: Das Gefasel des Kärntner ÖVP-Landeschefs, von dessen Existenz die meisten außerhalb der Landesgrenzen wohl ziemlich überrascht gewesen sein müssen, über sein „Bauchgefühl“ und die bereits vereinbarte neue Kärntner Landesverfassung wäre aber von Laienkabarettisten nicht zu toppen gewesen.
Mehr als 40 Jahre nach der Kärntner Eierschlacht gegen Bruno Kreisky um zweisprachige Ortstafeln und sechs Jahre nach einem Kompromiss führt ein Politiker sein „Bauchgefühl“ ins Treffen: Die Kärntner wollen noch immer das Wort „slowenisch“ nicht in der Verfassung lesen. Und wenn es dort stünde, dann würde es weniger Arbeitsplätze und Jobverlust für deutschsprachige Kärntner bedeuten. Solche Auslassungen eines sozial und gedanklich herausgeforderten Politikers kann man nicht einmal in Villach erfinden.
Es geht nämlich um diesen einen Satz: „Die Fürsorge des Landes und der Gemeinten gilt den deutsch- und slowenischsprachigen Landsleuten gleichermaßen.“ Wenn wenigstens eine positive Diskriminierung der slowenischen Minderheit, also eine Art Bevorzugung, festgeschrieben worden wäre. Aber dann hätte die Kärntner ÖVP nicht zuerst zustimmen und dann erst ihr „Bauchgefühl“ für die deutschsprachige Mehrheit entdecken dürfen. Allein, nichts davon. Das Wort „Slowenisch“ darf überhaupt nicht vorkommen, ganz so als gäbe es die Minderheit gar nicht. Mit einer solch radikalen Verdrängung und Verleugnung der Realität kann man nicht einmal Landespolitik betreiben.
Das muss man sich einmal vorstellen: Das Hypo-Desaster ist vorbei, alle österreichischen Steuerzahler blechen im Stillen auf Jahre hinaus die Milliarden Euro, die es gekostet hat, und jetzt bricht jemand, für den schon fünf Minuten Ruhm zu viel sind, einen neuerlichen Volksgruppenstreit vom Zaun. Als ob die Vergangenheit der Kärntner ÖVP je so glorios war, um mit einer politischen Rückwärtsrolle wieder in den glorreichen Zeiten zu landen. Allerdings – und das ist das Beunruhigende – liegen sie voll im Trend. Das Rad der Zeit soll nicht nur in Kärnten zurück gedreht werden. Die Kärntner müssten auf der Hut sein.
Die Reform der Landesverfassung, die Abschaffung des Parteienproporzes, wie sie in anderen Bundesländern bereits erfolgt ist, wurde von der Dreierkoalition aus SPÖ, ÖVP und Grünen schon 2013 beschlossen. Nach vier Jahren kann man wirklich nicht von einem überhasteten Vorgehen sprechen. Lässt die ÖVP nun wegen dieses einen Satzes das Zwei-Drittel-Projekt platzen, zeigt das eine Rückständigkeit, die sich das endlich befriedete Land nicht verdient hat.
Diese Retro-Politik macht auch taktisch keinen Sinn. Sicher wird es da und dort in Kärnten noch Flecken geben, wo man mit Krampf an den alten Gegensätzen und dem alten Misstrauen festhält, Wählerstimmen werden sich aber so nicht gewinnen lassen. Das Schreckgespenst der kommunistischen Invasion und Machtübernahme Sloweniens hat sich wohl auch im Bewusstsein der Kärntner mit der EU-Mitgliedschaft des Nachbarstaates aufgelöst.
Wenn aber jemand von einer Uralt-Mentalität profitieren könnte, dann die FPÖ. Im Großen und Ganzen ist aber die Kärntner Bevölkerung schon viel weiter als Politiker vom Schlage eines Herren – wie heißt er noch? Jetzt ist das Land allmählich aus den Negativschlagzeilen gekommen, müht sich mit der Schuldenlast der Ära Jörg Haiders ab, hat das einst „hochemotionale Kärntner Thema“ (© ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner) auf das für alle erträgliche Maß zurückgeschraubt und bewältigt und soll jetzt wieder der Lächerlichkeit preis gegeben werden?
Wer solche Politiker wie Benger toleriert muss sich um den Spott nicht sorgen. Wenn Sie glauben, das sei übertrieben, hören Sie das Interview im Internet nach. Wetten, dass Ihr Bauchgefühl und ihr Verstand sagen: Das hat sich das vielgeprüfte Land nicht verdient, auch wenn es an der Misere der letzten Jahre selbst schuld war.