So kann’s auch gehen! Zum ersten Mal seit Amtantritt im Dezember 2017 entglitt dem österreichischen Regierungsduo Sebastian Kurz (ÖVP) und Heinz Christian Strache (FPÖ) ihre „gelenkte Botschaft“, bekannt unter „message control“.

Am Dienstag dieser Woche hatte es, das Duo nämlich, zur ganz großen, einmaligen, noch nie da gewesenen, mehrstündigen Pressekonferenz in das Dachforyer der Wiener Hofburg geladen. Die message war: Ein Großereignis, eine Jubelstunde für geleistete Arbeit. Kontrolliert wurde offenbar der zeitliche Ablauf, denn alle Fragen kamen nicht zum Zug.

Vielleicht lag das daran, dass es nicht und nicht gelang, die Aufmerksamkeit der Medien auf vergangene und zukünftige Wohltaten der Regierung zu lenken. Spielverderber war der verhaltensauffällige niederösterreichische FPÖ-Landesrat Gottfried Waldhäusl, kurzfristig von Kurz zu „Landhäusl“ umgetauft. Aber der Bundeskanzler hatte recht, als er bei der Feierstunde zur „papierenen Hochzeit“ des Koalitionspaares (© Strache) Österreich eine „Insel der Seligen“ nannte – nur anders als er es gemeint hat. Denn wo anders als auf einer Insel der Seligen kann ein Politiker, der nur ins Amt gekommen ist, weil einem anderen fragwürdige Burschenschafts-Liederbücher im Landtagswahlkampf auf den Kopf gefallen sind, ein so wichtiges Fest der Bundesregierung stören? Wo anders als auf einer Insel der Seligen kann ein Politiker, der vor Hunden aus dem Ausland, also solchen mit Migrationshintergrund, warnt und unsere Tierheime für unsere Tiere verlangt, zu solcher Bedeutung gelangen?

Und wo anders als hier, kann ein so groß angelegter Medienauftritt der Regierungsspitze so ur-österreichisch ausfallen? Es war an dieser Stelle schon einmal erwähnt worden: Es ist ein Land, das sich in seiner Geschichte schon einmal monatelang damit beschäftigt hatte, ob man Atommüll in einem Ort namens Alberndorf lagern sollte oder nicht. Der Bürgermeister hieß Weinwurm.

Wo anders als hier, kann das Mitglied einer Landesregierung einen Medienauftritt liefern wie Waldhäusl in der ZIB 2 letzten Freitag und nicht am nächsten Tag zurück treten oder zurück getreten werden? Erst zitierte er die nebensächlichsten Passagen aus dem Bericht der Kinder- und Jugendanwältin über das Lager Drasenhofen und gaukelte Vollständigkeit vor. Dann machte er Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner, die das Lage räumen hat lassen, persönlich verantwortlich für etwaige Gewalttaten der Jugendlichen und erklärte sich ab sofort nicht mehr für zuständig. Schließlich behauptete er: „Ich habe mich zu hundert Prozent durchgesetzt.“

Kein Wunder, dass am Dienstag Journalisten immer wieder auf Landesrat und Lager zu sprechen kamen. Plötzlich wurde bei aller beschworener Harmonie doch klar, dass zwischen Bundeskanzler Kurz und Vizekanzler Strache in dieser Causa ganze Ballen von Stracheldraht und nicht – wie immer behauptet – nicht einmal das berühmte Blatt Papier passte. Kurz vertrat eindeutig die Linie Mikl-Leitners, Strache jene Waldhäusls. Verhaltenstechnisch wurde das deutlich, weil Kurz bei seiner ruhigen bedächtigen Linie blieb, Strache aber immer mehr in die von früher bekannte Schnappatmung verfiel. Da half es auch nicht, dass die beiden sich auch bei diesem Thema bemühten verbal und körpersprachlich im Gegensatz zu früheren rot-schwarzen Paarläufen die „gelebte“ (ein Lieblingswort des Vizekanzler) Harmonie zu demonstrieren.

Der Bauer als Landesrat Waldhäusl war aber nicht der einzige Spielverderber an diesem Tag. Auch George Soros störte die gelenkten Botschaften, nachdem just zu diesem Zeitpunkt die Übersiedlung eines Teils seiner Central European University (CEU) von Budapest nach Wien wegen fortgesetzter Bedrängnis durch die Regierung Viktor Orbans bekannt wurde. Kurz freute sich über eine zusätzliche universitäre Einrichtung in Wien, Strache sprach eher verächtlich von einer „Wanderuniversität“. Da der eine aber nicht auf die Aussagen des anderen einging: Die Harmonie „lebt“.

Interessant war noch, dass Kurz zwei Mal auf Rechtsradikalismus angesprochen wurde und zwei Mal eine direkte Antwort vermied. Das erste Mal zitierte ein Journalist das US-Magazin „Time“, das behauptete, Kurz mache den Rechtsradikalismus in Europa salonfähig. Der Bundeskanzler die Beziehungen zu Israel und die geplante Gedenkmauer. Ganz so als wäre Rechtsradikalismus nur mit Antisemitismus gleichzusetzen. Dann wollte der Vertreter der deutschen TV-Anstalt ARD wissen: „Wo sehen sie die Zukunft des Rechtspopulismus in Europa?“ Kurz antwortete mit dem Hinweis, dass in es in einer Demokratie Wahlen gebe, dann Koalitionen; dass er gewohnt sei, mit nicht-positiven Kommentierungen zu leben; dass er christlich, sozial und liberal sei; dass er tue, was er für richtig halte, die Medien berichteten wie sie wollten – und es schließlich Wahlen gebe.

Kurz hätte allerdings auch auf ein Interview am Wiener Boulevard mit OE24 vom 18. September verweisen können – unter dem Titel: „Vor drei Jahren noch rechtsradikal“. Damals meinte er: „Vieles von dem, was ich heute sage, ist vor drei Jahren noch massiv kritisiert und als rechtsradikal abgetan worden, das hat sich geändert. Vor einem Jahr konnte man schon sachlich darüber diskutieren, auch wenn viele einen anderen Zugang zum Thema haben. Eigentlich gibt es kaum jemanden mehr in Europa, der grundsätzlich anderer Meinung ist.“

Das konnte man auf zwei Arten lesen: Das , was er vor zwei Jahren gesagt hat, war damals nicht rechtsradikal und wurde nur als solches abgetan – oder seine rechtsradikalen Positionen haben sich seiner Meinung nach als richtig erwiesen. In diesem Sinne hätte seine Antwort auf die ARD-Frage durchaus lauten können: Sehe die Zukunft positiv. Immerhin verwies er wieder mehrmals darauf, wie recht er doch hatte und habe.

Strache wollte offenbar bei der Frage nach dem Artikel im „Time“-Magazin nicht zurückstehen: „Ich bin immer gegen den Strom geschwommen.“ „Time“ nehme er nicht ernst.

Sieht man von den Eingangsstatements ab, hatte das Regierungsduo wegen der Quertreiber Waldhäusl und Soros Mühe, seine Zufriedenheitsbotschaften immer in die richtige Richtung zu lenken.

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