Der ORF, eine Drohung und uralte Parteipolitik.

Man muss Norbert Steger, von der FPÖ in den ORF-Stiftungsrat entsandt, auch verstehen. Der ehemalige FPÖ-Chef und Dreijahres-Vizekanzler (1983-1986), der sich so weit von seinen ursprünglich liberalen Positionen entfernt hat, dass er nun Kickl-affin sein kann, will halt in seiner Altersweisheit auch noch einmal seine 15 Minuten Ruhm haben.

Ergo präsentierte er sich als Verfasser eines neuen, der FPÖ genehmen, ORF-Gesetzes. Man kann es dem Mann nicht verdenken: Er will halt wieder ein wenig bedeutend sein. Im kommenden Jahr werde es eine Regierung mit FPÖ-Beteiligung geben, daher sei der am Dienstag neu gewählte ORF-Chef Alexander Wrabetz ohnehin nur für ein Jahr im Amt.

Das ist Marke Kickl wie man sie kennt: Wrabetz soll offenbar so weit verunsichert werden, dass der ORF sowohl im Kampf um die wiederholte Stichwahl zwischen Norbert Hofer und Alexander Van der Bellen in den kommenden Wochen als auch später vor der nächsten Nationalratswahl die FPÖ besonders pfleglich behandelt. Stegers Drohung zeigte auch prompt Wirkung. Jeder kann sich selbst ausmalen, wie der alte/neue ORF-Generaldirektor in der Zeit bis zur nächsten Nationalratswahl – wann immer – agieren wird, hat er doch bei der Pressekonferenz nach der Wiederwahl im Stiftungsrat sein größtes Talent selbst so beschrieben: „Wenn ich etwas kann, ist es Mehrheiten finden.“ Klingt ganz so: Sie werden sich noch wundern, was ich alles kann.

Mehrheiten suchen, bedeutet in der österreichischen politischen Realität nicht so sehr Überzeugungsarbeiten leisten als Zugeständnisse machen. Und diese Realität sah bei der dritten Bestellung Wrabetzs im ORF- Stiftungsrat am Dienstag so aus, wie schon bis zum Überdruss kommentiert wurde: Abgestimmt wurde streng nach parteipolitischen Kriterien. Wenigstens hatte der Vorsitzende des Stiftungsrates, Dietmar Hoscher, ein SPÖ-Mann, den Anstand, auf die Frage wie glaubwürdig denn nach einem solchen Ergebnis die Entpolitisierung des ORF sei, so antworten: „Kein Kommentar“. Da konnte Wrabetz dann auch nicht so herumreden wie später in der ZIB 2 und etwas von Unabhängigen und kleinen Parteien murmeln, sondern musste schlicht und einfach jede „weitere Kommentierung“ verweigern.

In der österreichischen politischen Realität wirkt auch die Sorge um die ach so verwerfliche Parteipolitik etwas scheinheilig, wurde doch die Bestellung eines ORF-Generaldirektors in letzter Zeit streng nach parteipolitischen Kriterien beurteilt: ORF-Geschäftsführung unter Wrabetz – ein Sieg für Bundeskanzler Christian Kern und die SPÖ. ORF-Geschäftsführung unter Richard Grasl – eine schwere Niederlage für Kern und Aufwind für die ÖVP. Ausgang der Bestellung – ein klares Zeichen für vorgezogene Nationalratswahlen – oder auch nicht.

So lange wir in dieser Geisteshaltung verharren und in der österreichischen politischen Realität über jedes einzelne Ereignis den uralten politischen Raster legen und es nach uralten (partei)politischen Kriterien beurteilen, dürfen wir uns nicht wundern. Man muss sich das konkret so vorstellen: Ein Stiftungsrat (es gilt das gegenderte Wort) aus dem „Freundeskreis“ der ÖVP wäre persönlich vom Konzept des amtierenden ORF-Chefs eher überzeugt gewesen als von jenem Grasls. Wer hätte dann so viele Zivilcourage, die Verantwortung für die „Schwächung“ der ÖVP zu übernehmen, nachdem sich diese Sicht der Dinge in der Öffentlichkeit schon so verfestigt hat? Das gleiche gilt spiegelverkehrt für SPÖ-Vertreter im Stiftungsrat.

Das Paradoxe ist – und es gilt für jeden politischen Bereich, ganz besonders aber für den ORF: So lange wir nur in den Kategorien von Sieg und Niederlage, von Schlappe für die eine Partei, den einen Politiker oder Aufwind für die andere Partei und ihren Spitzenvertreter denken, verkrusten wir immer weiter jene politische Realität in Österreich, die wir lauthals beklagen.

Mehr als 50 Jahre nach dem Rundfunk-Volksbegehren ist das ein trauriger Befund. Er lässt nur zwei Schlüsse zu: Entweder die Bürgergesellschaft erzwingt neuerlich einen entpolitisierten ORF oder wir hören auf, zu jammern.

2
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
6 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

Spinnchen

Spinnchen bewertete diesen Eintrag 11.08.2016 12:16:03

Gerhard Novak

Gerhard Novak bewertete diesen Eintrag 11.08.2016 00:30:43

12 Kommentare

Mehr von Anneliese Rohrer