Man muss nicht allem zwanghaft etwas Positives abgewinnen, schon gar nicht, wenn die Sache an sich – in diesem Fall der Amtswechsel in den USA zu einem Präsidenten wie Donald Trump – rein gar nichts Erfreuliches hergibt. Wer jetzt dagegenhalten möchte, dem sei die wortwörtliche Abschrift jenes Interviews empfohlen, das Trump dem Time Magazine gab. Wer nach der Lektüre dieser Auslassungen nicht den Eindruck hat, hier versuche ein 70jähriger mit dem Wortschatz eines Achtjährigen, sich aus irgendetwas herauszureden, der/die möge seine Erwartungen an den Anführer der westlichen Welt überprüfen.
Was aber ist jetzt das Positive? Zum einen, dass sich alle Erwartungen nach der Wahl im November und vor dem Amtsantritt Trumps Ende Jänner, Wutrede bei der Angelobung mit eingeschlossen, nicht erfüllt haben. Die Prognosen-Fans in den Medien haben geglaubt zu wissen, dass Trump die extrem rechten politischen Gruppierungen in Europa beflügeln werde, sie gleichsam wie in einem Sog oder auf einer populistisch-demagogischen Welle von Wahlsieg zu Wahlsieg pushen werde. Sie scheinen irgendwie an das Unvermeidliche dieses Effekts geglaubt zu haben.
Das Gegenteil ist eingetreten. Begonnen hat dies in Österreich im Dezember mit der Wahl Alexander van der Bellens zum Bundespräsidenten. Der Trump-Effekt kam nicht, wie vielfach erwartet, Norbert Hofer zugute, sondern dürfte ihm eher geschadet haben. Zum einen, weil ein Rechtsruck im Schatten der Trump-Wahl doch weniger populär war als angenommen. Zum anderen aber, weil es die Wahl an sich politisiert hat, was sich in einer deutlich höheren Wahlbeteiligung niedergeschlagen hat als beim ersten Durchgang im April (68,5 Prozent) oder im zweiten im Mai (72,7 Prozent). Im Dezember waren es dann waren es dann 74,2 Prozent. Und diese höhere Wahlbeteiligung war der stärkeren Mobilisierung des Anti-Hofer-Lagers geschuldet.
Noch größer war der Irrtum der medialen Prognosen-Fans bei der Wahl in Saarland in Deutschland vergangenen Sonntag. Da war die Wahlbeteiligung so stark angestiegen wie seit mehr als zwei Jahrzehnten nicht mehr, nämlich um acht Prozent von 61,6 Prozent auf 69,7 Prozent. Natürlich war dies – wie auch im Dezember in Österreich – überwiegend in der zunehmenden Polarisierung begründet und somit ebenfalls in der stärkeren Mobilisierung gegen Rechts. Aber die Unsicherheit, die sich in Europa nach Brexit und wegen Trumps erratischer Amtsführung in den ersten Monaten breit macht, spielte gewiss auch eine Rolle. Das Interesse an der Politik ist deutlich gestiegen. Dieser Trend ist nicht zu übersehen. Außerdem dürfte mit zunehmender internationaler Unsicherheit die Lust vieler Wähler auf rechtspopulistische Experimente abgenommen haben. So blieb im Saarland die Alternative für Deutschland (AfD) weit unter den Erwartungen zurück, obwohl sie mit 6,2 Prozent den Einzug in den Landtag schaffte.
Zwischen der Wahl in Österreich und jener im Saarland zuletzt lag jene in den Niederlanden Mitte März. Auch dort ist die Wahlbeteiligung merklich angestiegen auf 78 Prozent. Der rechtsradikale Geert Wilders hat zwar zugelegt, aber doch nicht so stark wie vorausgesagt. Es könnte sein, dass auch hier der durch die Medien irrlichternde Trump den Appetit der Niederländer auf das Unberechenbare und Übertriebene gezügelt hat. Das heißt aber auch, dass die rechtspopulistischen und rechtsextremen Gruppen in Europa nicht von einer höheren Wahlbeteiligung profitieren. Daraus ergeben sich für die traditionellen Parteien rechts und links von der Mitte einige wichtigen Lehren: Sie müssen erstens Beständigkeit und Verlässlichkeit vermitteln, je unsicher die internationale Entwicklung, desto glaubhafter, und sie müssen zweitens – fast möchte man sagen: auf Teufel komm`raus – mobilisieren.
Der nächste Testfall wird die Präsidentenwahl in Frankreich im April sein. Welcher Trend sich dort zeigen, fortsetzen oder überhaupt ablesen lassen wird, kann seriöserweise jetzt nicht vorhergesagt werden.
Auf der Basis der drei geschilderten Wahlergebnisse jedoch lässt sich feststellen: Auch wenn der Begriff der Re-Politisierung schwammig und ungenau ist, weil er eigentlich ein totales Desinteresse der Wählerschaft an Politik voraussetzt, was so nie der Fall war, so kann man doch eine zunehmende Politisierung erkennen. Und diese ist eben auch all der Fassungslosigkeit über die Vorgänge in den USA geschuldet.
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