Es soll ja niemand behaupten, die ÖVP hätte in der Asylpolitik und in der Flüchtlingskrise keine Linie. Diese Kritik wird in den Medien von einem Artikel zum anderen weiter gereicht, hält aber einer Überprüfung nicht stand. Bei genauerer Betrachtung sieht man nämlich, dass sich von Anfang der Flüchtlingskrise an, also ab Mai 2015, die Abschreckungspolitik wie ein roter Faden durch das Agieren der einen Regierungspartei zieht.

Lediglich die Kleinteiligkeit der Berichterstattung und die jeweils punktuelle Aufregung um irgendwelche Sager aus den Reihen der ÖVP von der Spitze abwärts, ließ kaum eine Gesamtschau zu. Zum einen liegt das an der Abneigung gegen kompakte Analysen, zum anderen aber auch an der ÖVP selbst, die einmal die eine Hardliner-Schicht im Parteigefüge, ein andermal die liberalere Gruppe dort zufriedenstellen will. Eines aber verfolgten ihre Vertreter von den Zelten des Frühjahrs bis zur Verschärfung des Asylgesetzes jetzt mit ziemlicher Konsequenz – versteckt zwar, wie es dem Österreichischen entspricht, und nicht so offen wie die Dänen mit ihren Plakaten in den Herkunftsländern: „Kommt nicht nach Dänemark.“ Die meisten, von der ÖVP vertretenen, Maßnahmen dienen der Abschreckung und dem Versuch, Österreich als Asylland so unattraktiv wie möglich zu machen.

Ob diese Linie erfolgreich sein kann, diese Frage stellte und stellt man sich offenbar gar nicht. Die Ausrufung des „Notstands“ durch Innenministerin Johanna Mikl-Leitner im Mai als noch weit und breit kein wirklicher sichtbar war und die ostentative Errichtung von Zeltstädten, wo sie zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht notwendig war, hätte bereits ein abweisendes Signal an potenzielle Asylwerber sein sollen. Erreicht wurden damit lediglich fulminante Wahlerfolge der FPÖ in der Steiermark und im Burgenland.

Dann ließ man die Situation im Sommer vor allem im Lager Traiskirchen eskalieren, offenbar in der Hoffnung, dass die schrecklichen Zustände dort ein Signal an Flüchtlinge sein werden, nicht in Richtung eines Landes mit einer derart inferioren Interpretation von Menschenrechten zu gehen. Diese Hoffnung hat sich nicht erfüllt. Im Gegenteil. Traiskirchen war ein Weckruf für die Zivilgesellschaft, mit dem die zu diesem Zeitpunkt abgetauchte Koalition nicht gerechnet haben dürfte. Mit der Tragödie der 70 Toten im Lastwagen auf der A 4 war diese Linie der Innenministerin endgültig gescheitert. Die Welle der Hilfsbereitschaft und das Heer der Freiwilligen machte die versteckte Agenda Mikl-Leitners endgültig zunichte.

Dann kam der Zaun oder die sogenannten „technischen Baumaßnahmen“ an der Grenze. Danach die Diskussion um Asyl auf Zeit. Vizekanzler Reinhold Mitterlehner ist wenigstens zugute zu halten, dass er wiederholt nach dem Ministerrat offen über den gewollten Abschreckungseffekt gesprochen hat. Er macht daraus kein Hehl, was immer noch besser ist als Mikl-Leitners „Spin“, der Zaun diene dem Schutz der Flüchtlinge. Allein, eine Erfolgsstory ist er mit seinem Loch, erzwungen von einen ehemaligen Politiker der ÖVP, auch nicht gerade.

Und jetzt eben das geplante Gesetz für „Asyl auf Zeit“, wonach drei Jahre nach Anerkennung des Asylstatus keine Familienzusammenführung möglich sein und es dann zu einer Überprüfung und eventuell zur Rückführung kommen soll. Die Sinnhaftigkeit dieses Plans hat der Chef des AMS, Johannes Kopf, bei einer Diskussion in den Räumen von NZZ.at eindrucksvoll in Zweifel gezogen: Die Integrationsbemühungen auf Seiten der Asylanten werden durch die Unsicherheit, bleiben zu können oder nicht, gehemmt. Und die Bereitschaft der Unternehmen, Asylwerber auszubilden und zu integrieren, wird gegen Null tendieren. Für nur drei Jahre werde sich niemand besonders engagieren, meinte Kopf sinngemäß und schlüssig. Er sagte es nicht in diesen Worten, aber es war deutlich: Ein Schuss nach hinten – gegen die offiziell verkündete verstärkte Integration!

Die Zusammenfassung: Unnötige Eskalation im Mai/Juni, untragbare Zustände im Sommer, Zaun im Herbst und jetzt Asyl auf Zeit – alles in der Hoffnung, die Flüchtlingsströme würden Österreich meiden. Alles nicht durchdacht, alles nicht wirksam – aber eine Linie. Welchen (partei)politischen Erfolg sich die christlich-soziale ÖVP davon verspricht, bleibt rätselhaft.

Shutterstock/Istvan Csak

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