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“Alt bin i selba”. Als Bruno Kreisky 1976 gefragt wurde, warum er nicht Hertha Firnberg, damals Wissenschaftsministerin und 67 Jahre alt, als Vizekanzlerin der SPÖ-Alleinregierung auf seine Seite berufen und sich stattdessen für den 38jährigen Hannes Androsch entschieden hat, war das seine Antwort.
Daran erinnere ich mich – mit nachweisbarer Berechtigung – jetzt bei der Auswahl der Kandidaten um das Amt des Bundespräsidenten. Es erschließt sich mir auf den ersten Blick überhaupt nicht, welches Signal das bisher bekannte Seniorenkränzchen an die Republik aussenden soll; oder welche ungemein raffinierte Überlegung in der ÖVP Platz gegriffen hat, ihre am Mitterlehner-Parteitag im Vorjahr ausgegebene Parole von „jung, dynamisch weiblich“ von Andreas Khol (heuer 75) verbreiten zu lassen, wobei dynamisch bei ihm noch durchgehen wird.
Ein wirkliches Signal für die Zukunft dieses Landes oder für die jüngere Wählerschaft sind weder Andreas Khol, noch – wie zu erwarten – Rudolf Hundstorfer für die SPÖ, noch Alexander van der Bellen mit seiner späten Liebe zu dem hohen Amt, noch Irmgard Griss. Auch Erwin Pröll wäre es nicht gewesen. Insofern ist der Tausch Khol gegen Pröll kein Beinbruch, um es salopp zu formulieren.
Auf den zweiten Blick steckt natürlich hinter jeder Kandidatur ein ganz bestimmtes Kalkül, wobei das der SPÖ für Hundstorfer jetzt wahrscheinlich modifiziert werden wird. Was immer sich die ÖVP von Khol sonst noch verspricht, das Kalkül hinter seiner Nominierung ist leicht durchschaubar: In der Hoffnung, der ehemalige Nationalratspräsident und Diener etlicher ÖVP-Chefs werde in die Stichwahl kommen, rechnet die ÖVP offenbar mit einer blauen Wahlempfehlung im zweiten Wahlgang und somit mit einem doch möglichen Sieg.
Das ist jedoch so vordergründig – es sei denn es stehen bereits Absprachen dahinter - , dass diese Rechnung jeden halbwegs interessierten Wähler intellektuell unterfordern muss. Viel raffinierter wäre es, wenn Reinhold Mitterlehner in einem weiteren Akt der Selbstaufgabe der Partei gar nicht auf „Sieg“ setzen würde, um das Geld der Partei für wichtigere Urnengänge zu sparen. Was immer er sich bei diesem Plan B gedacht haben mag, sein Blick in die Zukunft, die des Landes, der Partei und seiner eigenen, muss getrübt gewesen sein.
Jedenfalls hat er der SPÖ mit dieser Kandidatur einen Liebesdienst erwiesen. Es darf darauf gewettet werden, dass das Gespenst einer blau-schwarzen Zukunft ständiger Begleiter im SPÖ-Präsidentschaftswahlkampf sein wird. Hundstorfer wird es auf jede freie Fläche projizieren. Das heißt, wir haben eine Wahlauseinandersetzung zu gewärtigen, in der sich die beiden Regierungsparteien mehr mit den Ereignissen von vor 15 Jahren beschäftigen werden denn mit den möglichen Entwicklungen in 15 Jahren. Ganz sicher aber auch: Diese Konstellation wird jetzt der SPÖ einen gewissen Mobilisierungsvorteil verschaffen. Ein schwarzes Wahlgeschenk sozusagen.
Das Signal der Grünen mit van der Bellen ist klar: Über die eigene Klientel hinaus soll er Bürgerliche und nicht gewerkschaftsaffine SPÖ-Kreise ansprechen, was ihm von seinem Habitus her und als früheres SPÖ-Mitglied nicht schwer fallen dürfte.
Irmgard Griss Chancen sind mit der ÖVP-Entscheidung sicherlich gestiegen, sofern sie die finanziellen Mittel für einen Wahlkampf zusammenbringt. Mit den 236.000 Euro, die sie in einem Interview mit dem Boulevardmagazin „Madonna“ als Spenden bis 30.12.2015 angegeben hat, wird sie keine großen Sprünge machen. Aber in der gegenwärtigen Konstellation wird das Geld nun vielleicht doch reichlicher fließen.
Nur: Wenn Hundstorfer und Khol sich im Wahlkampf um die Pensionen streiten, van der Bellen nicht überraschend mehr Leidenschaft für das angestrebte Amt entwickelt und sich weniger überrascht von seiner neuen Rolle als „Hollywood Star“ (Pressekonferenz am Sonntag) gibt, Griss nicht mehr zu sagen hat als die Gemeinplätze in ihrer Youtube-Neujahrsansprache – für wen sollen sich dann die jüngeren Wähler entscheiden? Dass sich viele von ihnen vielleicht mit der Oma-Opa-Generation besser verstehen als mit den Eltern, dürfte kein ausreichendes Wahlmotiv sein.
Sollte zum ersten Mal bei einer Bundespräsidentenwahl die Nichtwähler die größte Gruppe werden, wird das Amt beschädigt sein. Aber das ist reine Spekulation. Wir können es erwarten.