Oft besteht in der Politik zwischen zwei Ereignissen oder Fakten, isoliert betrachtet, kein unmittelbarer Zusammenhang. Er muss auch nicht krampfhaft hergestellt werden. Häufig aber ergibt sich dann durch ein mehr oder weniger zufälliges Timing doch eine Verknüpfung, die nicht zu übersehen ist.
So geschehen eben jetzt durch die vielleicht vorhersehbare, aber sicher nicht geplante, Gleichzeitigkeit von Song Contest und Flüchtlingskrise in Österreich. Konkreter: Von „Ampelpärchen“ wegen des Meistersingens in Wien und Zeltlager für Kriegsflüchtlinge. Wenn den sozialen Medien zu trauen ist, dann haben sich 20.000 Facebooker für die Beibehaltung der neuen Fußgängerampeln ausgesprochen. Wo sind dann jene 20.000, die eine sofortige Auflassung der unwürdigen Zeltlager verlangen? Ist das nicht fehlgeleitete Energie?
Die grüne Stadträtin Maria Vassilakou ist so ergriffen von dem Hype um ihre Ampelidee, dass sie keine Zeit und wohl auch keine Energie hat, ihren Regierungskolleginnen in den Bundesländern Salzburg und Tirol ins grüne Gewissen zu reden, sich bei der Unterbringung der Flüchtlinge kooperativer zu zeigen. Sie kann sich ja schließlich nicht um alles kümmern, schon gar nicht um grüne Kernthemen, die wenig populär sind.
63.000 € haben, so wird kolportiert, die Installation der Ampelpärchen in Wien bisher gekostet. Damit könnte man bei den derzeit geltenden Tagsätzen über 2.000 Kriegsflüchtlinge in menschenwürdigen Quartieren betreuen. Wenn jetzt, weil’s so schön ist, zusätzliche Verkehrsampeln umgestellt werden, wird das 1.285 € pro Stück kosten, heißt es. So viel kostet die Versorgung von 42 Kriegsflüchtlingen. Für das eine ist Geld da, für das andere nicht? Und ausgerechnet der sozialdemokratische TourismussprecherMax Unterrainer findet die Kosten für die grünen und roten Pärchen absolut „vertretbar“.
Wie gesagt, wäre die Ampelidee zu jedem anderen Zeitpunkt aufgekommen, an dem genug Geld dafür vorhanden wäre, hätte man sich über Orginalität und Kreativität freuen können. Die Konzentration der Aufmerksamkeit ausgerechnet jetzt auf so eine Petitesse, wenn auch steuergeldverschlingende, mit ungeheuer leidenschaftlicher Unterstützung der Medien noch dazu, grenzt an Obszönität. Da geht es nicht mehr nur um Geldverschwendung, nicht mehr nur um lächerliche Geltungssucht (Wien wird international beachtet!!!), nicht mehr nur um einen Gag, den man sich wohl vor allem in sonst so traurigen Krisenzeiten leisten wird können. Da geht es um mangelnde Sensibilität.
Es ist schon richtig, dass Österreich jedes Zeichen der Liberalität und Toleranz nach außen bitter nötig hat und man solches gar nicht intensiv genug bewerben kann. Aber auch das unwürdige Gezerre zwischen Bund und Ländern, zwischen Gemeinden und Bund um die Unterbringung der Kriegsflüchtlinge wird über die Grenzen hinaus ausstrahlen. In welchem Österreich wollen wir leben?
Wenn wir uns das Theater um die Ampelmännchen leisten wollen, bitte! Dann sollten wir uns aber auch die sofortige Auflassung der Zeltlager für Flüchtlinge leisten wollen.
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