An der Tragödie Griechenlands und der griechischen Misere der EU bleibt vieles rätselhaft. Dennoch haben in den letzten Tagen erstaunlich viele, die sich in den sozialen Medien und anderswo dazu geäußert haben, die wahren Schuldigen bereits ausgemacht: Deutschland und seine hässliche Deutsche, Bundeskanzlerin Angela Merkel. So ist es erstaunlich mit welcher Spontaneität und welchem Eifer hier in Österreich zum Beispiel Jakob Augstein für seinen Artikel in Spiegel-Online umgehend Beifall gezollt wurde.
Augstein findet es verwerflich, wie „ungehemmt“ Deutschland den „Lehr- und Zuchtmeister“ in Europa gibt. Und Journalisten in Österreich finden das wunderbar. Wenn ein Deutscher das schreibt, wird man das wohl auch selbst denken dürfen oder? Nicht die Zustimmung an sich ist verwunderlich, sondern mit welcher Begeisterung Augsteins Abrechnung mit der deutschen Griechenland-Politik aufgenommen wird – so als hätte man es immer schon gewusst: Die Deutschen sind unerträglich selbstgerecht und frönen einem „dunklen deutschen Nationalismus“, der für Europa nichts Gutes bedeuten kann.
Vielleicht hat sich Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann, der sich sonst immer seiner guten Kontakte zu Angela Merkel gerühmt hat, wegen der geänderten Stimmung in Österreich zu dem Urteil hinreißen lassen, die deutsche Position vis a vis Griechenland sein unannehmbar, entwürdigend und falsch. Wäre nicht der erste Anflug von reinem Populismus.
Aber woher kommt dieser Reflex? Von der ewigen Liebe der Österreicher zu den „Schwächeren“? Wohl kaum. Von einer gewissen Schadenfreude, dass ein mächtiges EU-Land wie Deutschland in der EU endlich einmal Gegenwind spürt? Schon eher! Von Neid auf ein Land, das gerade aktuell ein vier Mal so hohes Wirtschaftswachstum ausweist wie Österreich? Möglicherweise! Von ganz dumpfen Anti-Deutschland-Gefühlen, weil der große Nachbar Österreich immer seine Überlegenheit spüren hat lassen – Anschluss inklusive. Ganz sicher!
Und wenn sich wie jetzt endlich wieder einmal die Gelegenheit bietet, den Deutschen etwas an den Kopf zu werfen, dann wird sie bereitwillig ergriffen. Von der Tatsache, dass das Rätselhafte von kaum jemanden außer ein paar Finanzexperten wirklich verstanden wird, lässt sich niemand gerne in seinem Anti-Deutschen-Furor stören. Jeder scheint zu wissen, wie die griechische Misere der EU eigentlich zu lösen wäre – gäbe es eben die hässlichen Deutschen nicht.
Da machen es sich viele viel zu einfach. Vor allem in Österreich. Man sollte sich nur an die Wirtschaftspolitik von Bruno Kreisky in den siebziger Jahren und seinen Ausspruch von den „paar hundert Millionen Schilling Schulden“, die ihm „weniger Kopfzerbrechen bereiten“ würden als ein paar tausend Arbeitslose. Heute soll der griechische Premier Alexis Tsipras sagen: Ein paar Milliarden Euro . . . Und den Kopf soll sich die EU zerbrechen.
Nur: Am Ende der Ära Kreisky hatte Österreich die Schulden UND die Arbeitslosen, wie damals vorhergesagt. Die Verstaatlichte ging pleite, die Arbeitsplätze waren verloren und die Schulden belasteten das Budget auf Jahrzehnte hinaus. Zu dumm, dass damals nicht auch Deutschland dafür verantwortlich gemacht werden konnte.